Neuss Kanäle verbanden die Neusser Klöster

Neuss · Rund 600 Jahre früher als bislang angenommen, nämlich seit dem 13. Jahrhundert, gab es in Neuss eine öffentliche Kanalisation. Das belegen Funde der Neusser Archäologin Sabine Sauer bei Ausgrabungen an der Hymgasse.

 Auf dem Grundstück der letzten Baulücke an der Hymgasse stießen die Archäologen auf Reste einer Kanalisation, die belegt: Neuss war schon im Spätmittelalter vergleichsweise fortschrittlich.

Auf dem Grundstück der letzten Baulücke an der Hymgasse stießen die Archäologen auf Reste einer Kanalisation, die belegt: Neuss war schon im Spätmittelalter vergleichsweise fortschrittlich.

Foto: A. Woitschützke

"Lange herrschte die Meinung vor, dass eine öffentliche Kanalisation vor dem 19. Jahrhundert in unserer Region nur in Köln bestand. Dem muss widersprochen werden", sagt die städtische Archäologin Sabine Sauer, "ausgehend von den Klöstern existierte in Neuss bereits im 13. Jahrhundert ein abwasserführendes System."

Den Beleg für diese These fand sie bei Ausgrabungen an der Hymgasse, wo einer der ältesten erhaltenen Neusser Entwässerungskanäle aus dem späten Mittelalter gefunden wurde. Die Grabungsstelle ist inzwischen vom Bauverein schon überbaut worden, doch das Staunen über und die Beschäftigung mit diesem Fund gehen weiter.

Bereits 50 Zentimeter unter der Oberfläche stießen die Wissenschaftler im hinteren, etwas verbreiterten Bereich des Grundstücks Nummer 11 auf das Gewölbe eines Kanals, der schließlich auf einer Länge von insgesamt 15 Metern freigelegt und im Boden gesichert wurde. Im unteren Segment besteht das Bauwerk aus Basaltsteinen, die offenbar an einigen Stellen mit Ziegeln ausgebessert worden waren. "An der Ecke Oberstraße und Klarissengasse entleerten sich die Dachwässer des Klarissenklosters in einen öffentlichen Brunnen oder eine Zisterne, von der aus ein Kanal durch das Grundstück Hymgasse 11 zum Haus Nummer 9 führte", erklärt Sabine Sauer.

Dort habe eine verbreiterte Kammer existiert, von der aus das Wasser dann unter dem heutigen Platz am Romaneum hindurch zur Brückstraße und von da aus in den Rhein geleitet wurde. Damals floss der Strom noch unmittelbar unterhalb der Stadtmauer. Ein vermauerter Durchfluss in der Hofmauer zum Grundstück Hymgasse Nummer 13 deute zudem darauf hin, dass auch die anderen Anlieger in der frühen Neuzeit den Kanal zur Entwässerung nutzten.

Immer wieder in der Vergangenheit fanden die städtischen Archäologen bei Ausgrabungen in der Neusser Innenstadt in der Nähe von Klöstern Hinweise auf ein kombiniertes System von Zisternen beziehungsweise Brunnen und wasserabführenden Kanälen. Klöster seien immer schon innovativ auf dem Gebiet der Bautechnik gewesen, sagt Sauer.

Dass Neusser Bürger bereits in früheren Jahrhunderten im Zuge von Bauarbeiten auf diese Kanäle gestoßen sind, liegt nahe. Expertin Sauer sieht in diesen Zufallsfunden die mögliche Quelle für Geschichten über unterirdische Verbindungsgänge zwischen den Neusser Klöstern, die bis heute in der Bevölkerung kursieren.

Das Quartier zwischen Romaneum und Oberstraße gehört mit zu den ältesten Vierteln der Innenstadt. Bevor in diesem Bereich ein Bagger ein Loch machen darf, sondieren die Archäologen das Terrain. So auch im Falle des nur 4,30 Meter breiten Hauses an der Hymgasse 11, mit dem die Neusser Bauverein AG eine seit Jahrzehnten klaffende Baulücke geschlossen hat.

"Wir wurden bereits im Vorfeld der Baumaßnahme eingeschaltet", bestätigt Sauer, die spätestens seit den Ausgrabungen auf dem ehemaligen Busbahnhof wusste, dass auch auf der angrenzenden Brachfläche an der Hymgasse mittelalterliche Funde zu erwarten sein würden.

Ein Extra-Bonbon für die Archäologen: Im hinteren Bereich des Grundstücks fanden sie einen Brunnen aus dem Spätmittelalter, der offenbar noch im Zweiten Weltkrieg in Funktion war - bis zum Volltreffer, der das Haus zerstörte. Neben Bauschutt förderten die Wissenschaftler Hausrat aus mehreren Jahrhunderten zutage.

(NGZ)
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