Neuss Kabarettist Jens Neutag gibt dem deutschen Alltag viel Würze

Neuss · Wer wie der Kabarettist Jens Neutag neugierig durch die Welt geht, der bemerkt schnell, wie sehr es unserer Gesellschaft doch an Schärfe und Würze fehlt.

 Jens Neutag präsentierte im RLT sein Programm „schön scharf“.

Jens Neutag präsentierte im RLT sein Programm „schön scharf“.

Foto: Moll, Jürgen

Unter der Regie von Martin Maier-Bode kämpft er mit seinem stets aktualisierten Programm "schön scharf" unermüdlich gegen jedwedes Mittelmaß. "Selber schuld", sagt er daher auch, "anstatt ins Kabarett zu gehen, setzen die Leute sich lieber stundenlang vor den Fernseher, um am Ende festzustellen, dass es doch nur wieder irgendein Scheiß war, den man ihnen vorgesetzt hat." Aber er stieß eben im RLT in der Kabarett-Reihe "20.30" auch auf etliche andere.

Mehr noch zielt er auf die aktuelle Prominenz: Der in Finanzangelegenheiten maßlose Bischof Tebartz van Elst etwa, der es wohl als Buße verstehe, mit Ryan-Air zum Rapport nach Rom zu fliegen. Oder Dauerbrenner Angela Merkel, die nach nun "acht Jahren Regentschaft von Kohls Mädchen zur Lady Gaga der Uckermark mutiert". CDU-Generalsekretär Gröhe bekommt auch gleich sein Fett weg: "Der Hermann sieht aus, wie er sich ernährt: gierig." Da aber hält sich in der Hochburg der Applaus in Grenzen.

Neutag nimmt es gelassen. Zimperlich im Ausdruck ist er sowieso nicht, und dass ihm aber in dieser Republik so einiges übel aufstößt, daran lässt er den ganzen Abend über keinen Zweifel.

Gut wird er als A-Jugend Trainer, der mit derbem Ruhrpottdialekt die schwarz-gelbe Regierung neu aufstellt und so auf Vordermann bringt. Sehr gut als tumber deutscher Michel, der sich in der eigenen Heimat von Migranten nur so umzingelt fühlt, und dem unter der Bettdecke die abstrusesten Rachegedanken in den Sinn kommen.

Der typische Deutsche, "in all seiner bürgerlichen Überbehütung", hat es Neutag eh angetan. Sein Aufruf zur Anarchie, den Müllsack doch einfach mal einen Tag eher an die Straße zu stellen, wird von vielen im großen Publikum lautstark quittiert. Als wiederauferstandener Che Guevara lässt er uns einen Blick von außen auf unser Land werfen. Wir, die wir stolz auf Bach, Brahms und Beethoven sind, singen Lieder von Menschen, die sich Tim Toupet nennen. "Wir fahren in die Berge und der ganze Bus muss Pipi", ist da nur ein Refrain... Aber so ganz finster sieht der Kabarettist die deutsche Zukunft nicht, hat er doch zum Abschluss eines — vor allem nach der Pause — rasanten Abends einen wohlgemeinten Ratschlag: "Selbstverständlich sollen die Leute noch an etwas glauben, dabei aber doch bitte nicht das Denken vergessen."

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