Neuss "Jugendarbeit neu ausrichten"

Neuss · Verstärkte Jugendarbeit in den Stadtteilen, bessere Vermittlung Langzeitarbeitsloser und klare Absprachen mit den Wohlfahrtsverbänden: Dezernent Stefan Hahn erklärt sein Programm für die nächsten Monate.

 Stefan Hahn: "Erfttal gilt berechtigterweise als vorbildlicher Stadtteil."

Stefan Hahn: "Erfttal gilt berechtigterweise als vorbildlicher Stadtteil."

Foto: Woitsch�tzke, Andreas (woi)

Der Rhein-Kreis Neuss wird keine Optionskommune. Hat Bürgermeister Napp recht, wenn er sagt, dass sei eine gute Nachricht für die Hartz-IV-Empfänger und die Neusser?

Ja, die Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit ist gerade für Neuss unentbehrlich. Die großen Wirtschaftsstandorte liegen gut erreichbar in unmittelbarer Nähe. Eine Arbeitsvermittlung, die an den Kreisgrenzen aufhört, hätte die Potentiale in der Vermittlung von Erwerblosen in den ersten Arbeitsmarkt deutlich erschwert. Und das ist es, was gerade Erwerbslose von uns erwarten: Nicht von einer Eingliederungsmaßnahme in die nächste verwiesen zu werden, sondern eine Chance zu bekommen, über eigene Arbeit Ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen und damit auch wieder Selbstachtung zu gewinnen. Dem Neusser Steuerzahler haben wir eine zusätzliche Belastung erspart, die aus der Aufgabenübertragung an den Kreis resultiert hätte.

Wie stellen Sie sich eine ergebnisorientierte Absprache mit dem Rhein-Kreis in der Sozialpolitik vor?

Wir sind mittendrin. Erst gestern (11. April 2011) hat der Kreis auf meine Anregung hin, dass Thema Schuldnerberatung aufgegriffen. Dieses Thema zeigt exemplarisch, dass im Sozialbereich viele Leistungen von vielen Behörden an noch mehr soziale Unternehmen, Wohlfahrtsverbände und Kirchen erbracht wird und dabei eine effiziente Steuerung und Überprüfung der Leistung erschwert wird. Wir benötigen dringend klare Absprachen zwischen Städten und Kreis, wer welche Aufgaben wahrnimmt und wie sie finanziert werden. Es gibt deutlich zu viele Mischfinanzierungen, die einer gezielten Steuerung im Wege stehen. Hier zählen vor allem die auf allen Ebenen bestehenden pauschalen und leistungsunabhängigen Zuschüsse.

Können die Sozialverbände auch in Zukunft noch ihre umfassende Arbeit aufrechterhalten? Werden dafür die Finanzen reichen?

Wir werden auch künftig dankbar auf die Leistung der Sozialverbände zugreifen, vor allem unter dem Aspekt der zahlreichen ehrenamtlichen Helfer, die über die Verbände gewonnen werden können. Ich befürchte auch, dass die Notwendigkeit im Sozial- und Jugendbereich Menschen Hilfestellungen zu geben noch zunehmen wird. Auf der anderen Seite wird die Finanzlage der öffentlichen Haushalte in den nächsten Jahren nicht mehr besser werden. Diesen Spagat zwischen Mehrleistung und geringerer Finanzkraft Geld kann man nur über Effizienzsteigerung hinbekommen. Und ich bin überzeugt davon, dass hier auch noch ein großes Potential schlummert. Wir sind gerade dabei, alle Leistungen im Sozial- und Jugendbereich zu erfassen, um anschließend mit Politik und Verbänden zu diskutieren, welche Aufgaben größere Priorität haben und wie man gute Leistungserbringung messen kann. Ich halte sehr viel davon, auch im Sozialbereich marktwirtschaftliche Elemente wie Wettbewerb und Effizienz in der Leistungserbringung zu nutzen. Dies ist ein Paradigmenwechsel, für den einige Akteure im Jugend- und Sozialbereich noch gewonnen werden müssen, angesichts der Haushaltslage der öffentlichen Haushalte aber die einzige Alternative zu Steuererhöhungen oder die Erhöhung von Schulden. Ich bin sehr froh darüber, dass ich hierbei eine große Unterstützung aus der Neusser Politik habe.

Es fällt auf, dass zum Beispiel in Erfttal sehr viele Sozialprojekte angeboten werden, in der Nordstadt hingegen deutlich weniger. Welche Erklärung gibt es für diese Unterschiede?

Erfttal gilt berechtigterweise als vorbildlicher Stadtteil, in dem es gelungen ist, eine schwierige soziale Lage mit Hilfe der Sozialarbeit in den Griff zu bekommen. Hier haben von Anfang an viele Menschen durch hohen persönlichen Einsatz mitgewirkt, um dieses Ziel zu erreichen, allen voran Heinz Sahnen und Pfarrer Jochen König. In anderen Stadtteilen gab es zum einen nicht diese zugespitzte Bedarfslage, zum anderen vielleicht auch nicht die sozialpolitischen Motoren und Multiplikatoren. Jetzt wird es allerdings Zeit, dass wir uns anhand objektiver Daten wie Arbeitslosenquote, Verschuldung oder Altersstruktur die Stadtteile bewerten, um darauf aufbauend einen gerechten Maßstab zu finden, angemessene Jugend- und Sozialarbeit in allen Quartieren zu gewährleisten. Angesichts der Finanzlage wird es sicherlich zu Umverteilungen kommen müssen. Ich habe daher den Ausschüssen vorgeschlagen, eine Jugend- und Sozialmonitoring aufzubauen. Dieses dient zum einen dazu, die Veränderungen in der Sozialstruktur der Stadt und den Stadtteilen regelmäßig zu überprüfen und darauf aufbauend die entsprechenden Unterstützungsangebote zu planen.

Die Angebote in den Ganztagsschulen sind sehr unterschiedlich ausgeprägt. Wie klappt das Zusammenspiel mit den Freien Trägern vor Ort?

Wie so häufig ist die Qualität abhängig von den verantwortlichen Akteuren vor Ort. Dort, wo schon immer Schulleitung und Freie Träger einen intensiven Austausch hatten, klappt es vorbildlich. In anderen Stadtteilen können wir die Situation dadurch verbessern, dass wir als Stadt den Rahmen bieten, in dem Lehrer, Schulsozialarbeiter, OGS-Betreuer und Mitarbeiter der Kitas und der Stadtteilarbeit sich kennen lernen und kooperieren. Exemplarisch möchte ich das Neusser Modellprojekt „ProVier“ erwähnen, das in den Stadtteilen Derikum, Erfttal, Weckhoven und im Neusser Norden hervorragende Arbeit leistet.

Wie sehen Sie die Angebote für Jugendlich in der Stadt? Das Haus der Jugend oder das Café Greyhound konzentrieren sich in den Innenstadt. Müsste es auch in den Stadtteilen mehr Angebote für Jugendliche geben?

Ich habe immer gesagt, dass bei allen Sparanstrengungen der Bereich der Kinder- und Jugendbildung und –erziehung geschont werden muss. In Neuss sind wir im Bereich der offenen Jugendarbeit gut aufgestellt, nicht zuletzt auch durch die große Stärke des ehrenamtlichen Engagements der Kirchen und der Wohlfahrtsverbände. Auch hier wird uns das Jugend- und Sozialmonitoring behilflich sein, frühzeitig entstehende Bedarfe zu erkennen, aber auch ein bestehendes Angebot kritisch zu hinterfragen. Im Moment erarbeiten wir ein gemeinsames Konzept für das Greyhound und das Haus der Jugend. Das eingesparte Geld möchte ich in zusätzliche Jugendarbeit in den Stadtteilen investieren. Ich freue mich, dass ich in den nächsten Tagen die Verträge zur Errichtung der Jugendeinrichtung Allerheiligen unterzeichnen kann und dann mit dem Bau in den nächsten Wochen endlich begonnen wird.

Wie beurteilen Sie das Zusammenspiel von Stadtrat und Verwaltung in der Sozialpolitik?

Ich empfinde die Zusammenarbeit als sehr konstruktiv, sachlich und harmonisch. Obwohl ich den Verbänden und der Sozial- und Jugendpolitik in den vergangenen Monaten aus Gründen der Haushaltssanierung viel zumuten musste, waren die daraus resultierenden Diskussionen zwischen Verwaltung und Rat, aber auch zwischen den Fraktionen von Fairness und wechselseitigem Respekt geprägt. Dies ist sicher auch das Resultat der großen Erfahrung von langjährigen Verantwortlichen im Sozial- und Jugendhilfeausschuss wie Anne Holt, Hannelore Staps und vor allem Thomas Nickel. Mit dieser Teamarbeit werden wir auch in den kommenden Jahren die Stadt Neuss als fortschrittliche soziale Großstadt erhalten können.

Ludger Baten führte das Gespräch.

(NGZ)
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