Neuss Judas-Verrat heute: "Petzen ist uncool"

Neuss · Judas ist eine der bekanntesten Gestalten in der Bibel – und sicher die unbeliebteste. Zunächst gehörte der Apostel zum engsten Kreis der Vertrauten Jesu. Dann, aus heiterem Himmel, verriet er Jesus bei den Hohenpriestern. Die bekannte Folge: Jesus wurde festgenommen und zum Tode verurteilt.

Bei Judas sind sich die Schüler der Klasse 3b der Kreuzschule in der Neuss einig: "Was er gemacht hat, war nicht in Ordnung", sagt der neunjährige Berfin. "Auch, weil er Jesus gegen Geld verraten hat", fügt er hinzu. "Außerdem hat Jesus nichts Böses getan", weiß Klassenkamerad Malte. So gehört auch heute noch jemand, der andere ans Messer liefert, zu den unbeliebten Zeitgenossen.

Unter den Kindern gilt das Petzen als illoyal und uncool. "Ich mag nicht petzen und finde auch andere, die das tun, ziemlich blöd", sagt der achtjährige Marius. Andererseits: "Wenn ich auf dem Schulhof geschlagen werde, sage ich meiner Lehrerin schon Bescheid", erzählt er. Die meisten Mitschüler sind seiner Meinung: Petzen ist verpönt, doch wer sich ungerecht behandelt fühlt, tut das den Großen meist kund. Dabei geht es Kindern vor allem darum, sich für die eigenen Belange einzusetzen. Wenn sich die achtjährige Ella heimlich ein Eis aus dem Gefrierschrank nimmt, findet sie es gar nicht lustig, wenn der ältere Bruder die Eltern informiert. "Das würde ich auch nicht tun!" beteuert sie.

Die Rivalität unter Geschwistern, die sich oft um die Gunst der Eltern dreht, führt öfters zum "Verrat" im kleinen Stil. "Das finde ich ungerecht", empört sich die achtjährige Charlotta. In der Schule stehen Rempeleien und Konkurrenzkampf genauso auf der Tagesordnung wie Rechtschreibung und Kopfrechnen. Eine klassische "Petze", die ständig zur Lehrerin läuft, um den Mitschüler wegen kleiner Sticheleien anzupfeifen, ist unter den Neusser Grundschülern genauso unbeliebt wie der wilde Draufgänger, der Schwächeren wehtut. "Ich habe ein Mädchen nur gestreift – sie hat sich furchtbar aufgeregt und ist sofort zur Lehrerin gelaufen", erzählt der achtjährige Paul. Er versucht, Streitigkeit zunächst allein zu regeln.

"Wenn ein Schüler über einen anderen klagt, müssen wir Lehrer abwägen, ob unser Eingreifen erforderlich ist, oder ob die Kinder den Konflikt unter sich regeln können", erklärt Grundschullehrerin Angela Haas. Für harmlose Streitereien gibt es an der Kreuzschule ein Streitschlichterprojekt. Das heißt: Viertklässler, die mit Warnwesten ausgestattet sind, versuchen, Meinungsverschiedenheiten gemeinsam mit den "Streithähnen", aber ohne Lehrer, zu klären. "Dann ist petzen gar nicht mehr notwendig", meint Angela Haas.

(NGZ)
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