Musik in Neuss Mit optimistischer Musik gegen die Coronakrise

Neuss · Münsterkantor Joachim Neugart musste alles absagen. Aber er nutzt die Zeit, um wieder mehr am heimischen Klavier zu sitzen.

 Münsterkantor Joachim Neugart am Flügel in seinem Arbeitszimmer. Auf dem Pult liegen van Beethovens A-Dur-Sonate und Bach-Partiten - „alles Werke, die Optimismus ausstrahlen“, sagt der Musiker.

Münsterkantor Joachim Neugart am Flügel in seinem Arbeitszimmer. Auf dem Pult liegen van Beethovens A-Dur-Sonate und Bach-Partiten - „alles Werke, die Optimismus ausstrahlen“, sagt der Musiker.

Foto: Neugart

Münsterkantor Joachim Neugart (59) ist einer der vielbeschäftigsten Musiker im Rheinland. An der Neusser Basilika St. Quirin leitet er den mit 50 Mitgliedern gut besetzten Münsterchor, den für besondere musikalische Aufgaben gegründeten Kammerchor Capella Quirina (seit 1989) sowie je eine Choralschola für Damen wie für Herren, Kinderchor und Jugendschola. Dazu kommt die Arbeit mit mehreren Instrumentalensembles: Seit 1999 ist er Chefdirigent des renommierten Neusser Kammerorchesters (NKO), führt die Sinfonietta am Quirinus und die Barockinstrumentalisten von Sonare Neuss immer wieder zu musikalischen Highlights und hat gerade das Ensemble Giardino Nuovo (auf Deutsch: Der neue Garten) gegründet. Nach wie vor steht aber die kirchenmusikalische Arbeit, zum Beispiel die musikalische Begleitung der Gottesdienste, im Vordergrund.

In der aktuellen Coronakrise sind alle Gottesdienste bis auf weiteres abgesagt, jegliche Probenarbeit mit den musikalischen Gruppen ist analog zu geschlossenen Schulen und Universitäten untersagt. Was macht nun ein Kirchenmusiker mit der so „gewonnenen“ Zeit? „Zur häuslichen Ruhe verpflichtet, übe ich seit 30 Jahren wieder vermehrt Klavier“, sagt Joachim Neugart. Er hat sich van Beethovens „A-Dur-Klaviersonate“ (op. 101) vorgenommen, ein Werk, das der Komponist 1816 mit dem Plan, „ein großes Werk für Hammerklavier zu schaffen“, schrieb. Das heiter-lebensbejahende Finale lässt vermuten, dass van Beethoven eine Krise überwunden glaubte.

„Es macht nur Sinn, in diesen Tagen Stücke zu spielen, die Optimismus ausstrahlen“, sagt der Kantor. Darüber hinaus hat er viel damit zu tun, Termine abzusagen. Ein mit der Capella Quirina für Palmsonntag geplantes Konzert wurde von ihm um ein ganzes Jahr verschoben. Die „Tenebrae Responsorien“ von Tomás Luis de Victoria sind hochemotionale Vertonungen der Klagelieder des Jeremias. Sie wurden in den Stundengebeten der Karwoche in Rom gesungen und passen daher in keine andere Jahreszeit.

Vollkommen abgesagt wurde das Serenadenkonzert des NKO im Zeughaus (geplant am 26. April), „weil einfach keine Zeit zum Proben ist“. Die Absage von einer Absage soll hingegen am 20. September nachgeholt werden. Der Panflötist Matthias Schlubeck musste ein Konzert in der Reihe „Dycker Schlosskonzerte“ wegen Krankheit absagen, Sonare Neuss wollte am vergangenen Sonntag einspringen.

Auf den 8. November verlegt wurde ein Konzert mit van Beethovens „Messe C-Dur“ und dem faszinierenden „Miroir de peine“ für Sopran und Streicher von Hendrik Andriessen des Schönhausen-Chores Krefeld, den Joachim Neugart seit 2002 leitet: „Wir haben heftig geprobt, das kann man nicht um ein Jahr verschieben“, sagt der Chorleiter. Andererseits: Sollte die intime Aufführung von Händels „Messias“ in der gewöhnlich verschlossenen Klosterkirche Marienberg am 16. Mai abgesagt werden, so will er sie erst im nächsten Jahr neu planen. „Wenn alle Kollegen und Konzertorganisatoren ins zweite Halbjahr gehen, wird das Publikum überfordert“, begründet er.

Auch das Neusser Kammerorchester verschiebt eine geplante Konzertreise in die Neusser Partnerstadt Rijeka – in diesem Jahr Kulturhauptstadt Europas – ins nächste Jahr. Eine Konzertreise der Capella Quirina im Herbst nach Japan, nach Tokio, Nagoya und Hieroshima hofft Joachim Neugart durchführen zu können. Immerhin sind bereits 35.000 Euro in dieses Projekt geflossen.

Der Münsterkantor, in diesem Amt seit dem 1. Januar 1988, hat seine Vorgänger, die Professoren Karlheinrich Hodes (1955 – 1978) und Heinz Odenthal (1978 – 1987), mit 32 Jahren bereits deutlich übertroffen. In seiner Amtszeit steht er für höchst beliebte Neuerungen wie die meist ausverkauften Silvesterkonzerte (seit 1995) oder die wöchentlichen Orgelstunden „zur Marktzeit“ (samstags von 11.30 bis 12.00 Uhr). Als kleinen Ersatz spielt der Organist in der verwaisten Quirinusbasilika kleinere Werke ein, die er unter anderem bei Youtube (youtu.be/TD1DfeLXtfk) seinem treuen Publikum zur Verfügung stellt.

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