Neuss Jess Jochimsens Leid mit dem Krippenspiel

Neuss · Der Kabarettist zündete zum großen Vergnügen des RLT-Publikums "Vier Kerzen für ein Halleluja" an.

Eine weit geöffnete Lkw-Tür genügt — und aus der Werbeaufschrift "Kanalsanierung und Rohrabdichtung" wird "analsanierung und ohrabdichtung". Für solche kleinen, aber feinen optischen und semantischen Fehlleistungen benötigt man ein Auge und Gefühl für Sprache. Bei Kabarettist Jess Jochimsen scheint dies besonders ausgeprägt, denn in seinem aktuellen Programm "Vier Kerzen für ein Halleluja — Ein Jahresendzeitprogramm", mit dem er in der Kabarettreihe "Neuss 20.30" im RLT gastierte, zeigte er eine Vielzahl ähnlich gelungener Beschilderungen. Alle selbst entdeckt und abfotografiert.

Selbstverständlich war die Darbietung jener "Dias", wie er sie in Erinnerung an ermüdende Familienabende nannte, nicht alles, was Jochimsen zu bieten hatte. Besonders haften blieb vermutlich die äußerst lebhafte Darstellung eines Kinderkrippenspiels aus seiner eigenen Jugend. Eine Thematik, mit der sich die meisten Eltern bestens auskennen dürften. Jochimsens Beispiel jedoch bot den ultimativen Supergau: 40 Rollen gab es zu verteilen, damit jeder Schüler, egal ob Jude oder Moslem, am christlichen Krippenspiel partizipieren konnte. Neben einer Hundertschaft Hirten und fünf heiligen drei Königen mussten also weitere Rollen geschaffen werden.

Daher entschied die Lehrerin, dass Maria und Josef mit dem gesamten Ensemble zunächst mit dem Zug von München nach Bethlehem reisen, um dadurch weitere Rollen, wie Schaffner, Lokführer und Bahnhofspersonal zu generieren. Jochimsen selbst blieb seinerzeit nur die Rolle als Esel, da er sich übereifrig — im Gedanken an den Zeugungsvorgang mit der Maria-Darstellerin — als heiliger Geist beworben hatte.

Am Ende blieb ein riesiges Chaos rund um ein Christkind, das auf Knopfdruck "Kauf mir was!" sagte und einen vollschlanken Verkündigungsengel, der von der Turnhallendecke in die Krippe krachte. Die komplette zweite Hälfte des Programms nahm diese bildhafte Beschreibung des Krippenspiels ein, und sie war jede Minute wert.

Zuvor tat sich Jochimsen in seinem Programm eher mit gewöhnlichem Kabarett hervor. Ein wenig Jahresrückblick, ein bisschen Politik, ein paar Promi-Witze und etwas Musik. Passend zur Jahreszeit wurde auch erörtert, warum St. Martin ein hundsgemeiner Scherzkeks ist, hätte er als Soldat dem Bettler doch auch den ganzen Mantel geben können, statt das Ding zu zerschnibbeln, so dass niemand mehr was damit anfangen konnte. Nebenbei endeten ein paar Schokoweihnachtsmänner unter Wehklagen des Publikums als Gebrösel auf der Theaterbühne, da Jochimsen "das Geräusch so mag", wenn man den süßen Kameraden den Daumen ins Antlitz drückt.

(NGZ)
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