Shakespeare-Festival Neuss Zum Träumen rein in den Bulli

Neuss · Mit seiner Inszenierung „Je suis invisible!" (Ich bin unsichtbar) und den Darstellern von Les Monstres de Luxe/Théâtre de Nîmes hat Dan Jemmett im Globe begeistert. Die Basis ist „Ein Sommernachtstraum" von Shakespeare.

 In seiner Inszenierung „Je suis invisible!“ erzählt Dan Jemmett den „Sommernachtstraum“.

In seiner Inszenierung „Je suis invisible!“ erzählt Dan Jemmett den „Sommernachtstraum“.

Foto: Christoph Krey

Ein Brite setzt einen Franzosen in einen deutschen VW Bulli. Der „Froschschenkel-Fresser“ dreht den Zündschlüssel um und bumms: ein lauter Knall. Nein es ist nicht der Brexit, der hier zwischen drei Nationen zündelt. Vielmehr ist der Knall Auftakt eines echten Shakespeare-Abends im Neusser Globe. Statt europäischen Nickeligkeiten werden hier in einem grandiosen Gastspiel der „Monstres de Luxes“ aus dem südfranzösischen Nîmes weit wichtigere Dinge verhandelt: die Liebeshysterie hormonell übersteuerter Girlies, die Furienhaftigkeit souveräner Wald- und Stadtherrscherinnen und die bösen Launen ihrer Bräutigame und Ehemänner. Hinzu kommen balzende Jungmänner, Feen, Kobolde und Handwerker.

Das Ganze stammt von dem großen Barden aus Stratford und läuft, man ahnt es, unter dem Titel: „Sommernachtstraum“. Hier aber französisch umgedeutet: „Je suis invisible!“. Dan Jemmett, der in den vergangenen Jahren bereits mehrfach für beste Unterhaltung beim Festival in Neuss  sorgte, macht aus Shakespeares zauberhafter Romanze eine ebenso fantastische Vaudeville-Ballade.

Schon lange steht der Bulli im Wald. Er ist regelrecht eingewachsen. Der Schauspieler David Ayala träumt dort allein vor sich hin. Alles, was nun folgt, könnte sich sowohl in der Realität des Zauberwalds als auch schlicht in seinem Kopf abspielen.

Auf der Bühne erscheint eine Truppe Schauspieler, gekleidet wie Vaganten aus dem vorletzten Jahrhundert. Von denselben Darstellern gespielt, taucht kurz darauf eine Gruppe Mechaniker auf, die erfolglos versucht, den Bus zu reparieren. Fünf hervorragende Mimen teilen sich alle Rollen der Doppel-Handlung im „Sommernachtstraum“. Neben David Ayala agieren Valérie Crouzet, Camille Figuereo, Mathieu Delmonté und Joan Mompart auf der Bühne des Globe, die zeitweise zu klein geraten scheint für die Ideenfülle des Regisseurs.

Dan Jemmett versetzt Shakespeare aus seiner Zeit in einen zeitlosen Raum. das heißt: Nicht ganz. Der Vater des Regisseurs, so erzählt Jemmett, liebte den amerikanischen Film „My little Chickadee“ (deutsch: „Mein kleiner Gockel“) aus dem Jahr 1940, mit den Schauspielern Mae West und W.C. Fields: „Eigentlich eine blöde Komödie, aber mit den größten Stars von Hollywood. Die habe ich mir dann als Oberon und Titania vorgestellt, in einem Eisenbahnwagon, der sich auf mysteriöse Weise vom Zug gelöst hat“, erzählt er zur Einführung des Abends

Die Grundidee reicherte Jemmett dann mit einer Musikmischung an, die von dem Hip-Hop-Pionier und weltbekannten DJ Grandmaster Flash aufgelegt sein könnte. Da gibt es „Cheek to cheek“ und „I’m in heaven“ mit Fred Astaire und Ginger Rogers aus den Dreißigern, genauso wie den Reggae „The tide is high“, der mit der Band „Blondie“ zum Welterfolg wurde.

Und Jemmett webt auch das Publikum ein in seine Spielereien. Joan Mompart tritt als Puck auf die Bühne, erkennt aber dann in den ersten Zuschauerreihen seinen Kumpel Robin Goodfellow – und das wiederum ist in englischer Überlieferung ein Name für ihn selbst. Später liefert Mompart zudem eine herrliche Slapstick-Nummer à la Charlie Chaplin, während David Ayala und Valérié Crouzet als Oberon und Titania mit ihrem kleinen Zirkus „Le petit Fakir“ für Unterhaltung sorgen.

Eine echte Hauptrolle, beim Schluss-Applaus viel zu wenig beachtet, spielt der Bulli. Er liefert immer wieder neue Überraschungen. Aus seiner Seitentür quellen Schlafsäcke, quillt das Personal, aus dem Tank die berühmte Zauberblume, die die Gefühle verwirrt und wieder einrenkt. Schließlich zerrt Puck aus dem Stauraum jenen großen Eselskopf, der für Titania zum geträumten Verhängnis wird. Als der Bulli nach zwei Stunden hupt, ist die Sommernacht zu Ende.

 Titania ist schwer verliebt – ausgerechnet in einen Esel.

Titania ist schwer verliebt – ausgerechnet in einen Esel.

Foto: Christoph Krey

Das Sommernachts-Traum-Fahrzeug auf die Bühne des Globe zu bringen, war keine leichte Aufgabe. Nur in vier kleinere Teile zerlegt passt es in das Gebäude. Viel Aufwand für einen einzigen Abend. Schade, dass nur englisch- oder deutschsprachige Gastspiele beim Neusser Shakespeare-Festival die Verkaufs-Renner sind. Dabei ist der Barde aus Stratford doch seit Jahrhunderten ein echter Weltstar.

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