Auftakt zur Jazzreihe in Neuss Ein musikalisches Farbenspiel
Neuss · Stephan Mattner eröffnet mit seiner Band Beam die Spielzeit 2019 der Reihe „Blue in Green“ in der Alten Post.
Kennen Sie den Spielfilm „Das Leben der Bohème“? Darin erzählt der finnische Regisseur Aki Kaurismäki einen Abschnitt im Leben dreier aus dem Leben gefallener Gestalten, die als verkrachte Künstler in Paris zu überleben versuchen; mit dem für Kaurismäki typischen, skurril-lakonischen Humor. Irgendwann debattieren die drei Bohemiens über die Farbe Blau in der Musik – und verweisen auch auf den Urvater aller Farb-Synästhetiker, den russischen Komponisten Alexander Nikolajewitsh Skrijabin. Dessen Partitur für das Orchesterstück „Prométhée. Le Poème du Feu“ von 1909 sieht auch eine Stimme für ein Farbenklavier vor, mit dem die in dieser Sinfonischen Dichtung vorkommenden Tonarten auch visuell dargestellt werden sollten.
Der Name Skrijabin fällt auch in der ersten Ansage, mit der der Kölner Tenorsaxofonist Stephan Mattner das Publikum begrüßt, das zur Spielzeiteröffnung von „Blue in Green“ in die Alte Post gekommen ist. Denn sein neunköpfiges Solistenensemble Beam will auch mit diesem Phänomen der Wahrnehmungskoppelung von Farbe und Klang experimentieren. Nur fällt es jemanden, der diese Eigenschaft nicht besitzt, schwer zu erkennen, ob nun ein bestimmter Klang, eine einzelne Tonart oder ein einziger Ton auch mit einer spezifischen Farbe in Verbindung gebracht werden kann oder nicht.
Kurz vor Ende des ersten Konzertteils stand eine Suite auf dem Programm, deren drei Teile mit „Blau“, „Rot“ und „Gelb“ überschrieben waren. Die Frage, ob ein mit voluminösen Sound gespieltes E-Bass-Solo, das Sebastian Räther mit stupender Virtuosität und euphorischem Spielwitz zum Besten gab, tatsächlich auch „Gelb“ klingt, lässt sich ohne Rückgriff in die Esoterik kaum beantworten.
Da ist ein anderes optisches Phänomen eine treffendere Analogie, um die Improvisationsmusik von Mattners Band Beam zu beschreiben: ein Lichtstrahl (so auch die deutsche Übersetzung von Beam), der zum Beispiel durch die Brechung in einem Prisma in seine Spektralfarben aufgefächert wird. Bei Beam steht zumeist ein kurzes, thematisches Motiv am Anfang, das im Verlauf des improvisatorischen Prozesses rhythmisch, harmonisch oder melodisch sequenziert und durch die verschiedenen Stimmen geführt wird, um an Volumen zuzulegen.
Die solistischen Exkursionen der Musiker – wenn etwa Matthias Knoop ein mit bissiger Attacke geblasenes Solo auf der Trompete spielt oder Andreas Wahl seine mit rockenden Grooves genagelten Single-Notes-Girlanden aufhängt – werden durch die spezifischen Timbres der anderen Instrumente neu gemischt und eingefärbt. Stilistische Diversität ist es, was ein Konzert mit Beam auszeichnet: dass der individuelle Ausdruck der Solisten durch das Klangkollektiv der neun Musiker in einen anderen Kontext gesetzt wird.