Neuss Jazzimprovisationen in der Alten Post

Neuss · Glück gehabt. Zwar hatten sich wegen eines Druckfehlers im Programm der Reihe "Blue in Green" zum Konzert der Sängerin Esra Dalfidan und ihrer Band "Fidan" zunächst nur wenige Zuhörer in der Alten Post eingefunden. Die Faszination, die ihrer Musik ausging, sprach sich jedoch dank moderner Kommunikation so schnell herum, dass der Saal nach der Pause deutlich dichter besetzt war.

 Sicher und beweglich: die Jazzsängerin Esra Dalfidan.

Sicher und beweglich: die Jazzsängerin Esra Dalfidan.

Foto: B. Steingießer

"Fidan", der Name der Band, ist abgeleitet vom Familiennamen der Sängerin Esra Dalfidan. Zugleich aber bedeutet das Wort im Türkischen so viel wie: Spross, Schössling, Zweig. Ein schönes Bild für die Musik der in Deutschland geborenen Sängerin mit türkischen Wurzeln, die seit ihrem Jazzgesangs-Studium in Amsterdam lebt. Ausgehend von der türkischen Folklore breitet sich diese Musik in alle Himmelsrichtungen aus, verzweigt und verästelt sich und trägt die schönsten Blüten des Jazz.

So konnte das Publikum live miterleben, wie sich aus türkischer und aserbaidschanischer Folklore mit ihren charakteristischen Skalen und asymmetrischen Taktarten durch organisches Wachstum Jazz-Improvisationen auf Bassklarinette (Tobias Klein) und Piano (Franz von Chossy) entwickelten. Besonders gelungen: Esra Dalfidans Vertonungen von Gedichten des türkischen Troubadours Asik Veysel.

Das Stück "Aglar Veysel" (Veysel In Tears), in dem das lyrische Ich die räumliche Trennung von seiner Geliebten beklagt, beginnt mit einem langsam voranschreitenden Rhythmus, gespielt von Uli Genenger mit Paukenschlägeln auf Snare und Tom-Toms, einem sanften Ostinato vom Kontrabass (Sean Fasciani) und der Rezitation der Verse, bevor Dalfidans klare und kraftvolle Stimme sich wie ein mächtiger Adler zum Gesang erhebt. Es folgt ein sicheres Gleiten mit ausgebreiteten Schwingen, bei dem Esra Dalfidan ihre Stimme mit einzelnen Silben instrumental einsetzt, unisono begleitet von der Bassklarinette. Die Sängerin ist in der Intonation so sicher und in der Phrasierung so beweglich, dass ihr kein polyrhythmischer Wirbelsturm etwas anhaben kann.

Daneben brachte Esra Dalfidan auch viele Eigenkompositionen mit türkischen und englischen Texten zu Gehör und bewies etwa in "Feel Free" einmal mehr auch ihr sprachliches Potenzial: "Ich möchte die Lyrics oder auch nur ein Wort von deinem Song sein", singt sie da und "Feel free to be free with me!" Schön, dass diese Songs es wirklich vermitteln: ein Gefühl von Freiheit.

(NGZ)
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