Neuss Jagd nach dem verlorenem Euro

Neuss · Harry Heib und Ilva Melchior führten als Moderatoren durch die Stunksitzung und nahmen ihr Publikum mit auf eine rasante Tour durch Politik und Unterhaltung. Witzige Parodien, bissiges Kabarett, schräge Kostüme und mitreißende Songs begeisterten das Publikum einmal mehr.

Witzige Parodien, bissiges Kabarett, schräge Kostüme und zu alldem mitreißende Songs: Auf den ersten Blick ist die Stunksitzung, deren 18. Ausgabe am Freitag in der Wetthalle an der Rennbahn Premiere hatte, einfach eine tolle, bunte Show. Genauer betrachtet aber ist sie viel mehr als das, schafft sie es doch Karneval und Gegenkarneval zugleich zu sein und jene, die erleben wollen, wie der Karneval gründlich durch den Kakao gezogen wird, ebenso zu unterhalten wie jene, die allzeit schunkelbereit auf den Bänken sitzen und auf ihren Einsatz warten. Dass alle zusammen einen grandiosen Abend erleben – die einen weil, die anderen obwohl nicht geschunkelt wird – ist der grandiose Drahtseilakt, der die Stunksitzung zum Neusser Exportschlager macht. Auch unter Düsseldorfern ist die Neusser Stunksitzung längst ein Highlight und dem Team vom Theater am Schlachthof auch in diesem Jahr wieder einmal mehr perfekt gelungen.

Stunk, das ist "Adorno meets Bohlen" oder "RTL II goes Arte" bereiteten Harry Heib und Ilva Melchior als Moderatoren ihr Publikum vor auf die rasante Tour durch Politik und Unterhaltung, diesmal, so die Rahmenhandlung, auf der Jagd nach dem verlorenen Ur-Euro. Mimisch, gestisch, vor allem stimmlich ins Schwarze traf Sabine Wiegands Parodie Merkels, die den Verlust der Münze beklagte, auf deren Fährte Jens Kipper alias Detektiv Kevin Marlowe gemeinsam mit Carolin Stähler als Assistentin Trixie mitten in den Karneval gerieten, vorbei an zu Schlümpfen geschrumpften FDPlern, Piraten, die ihren Ruf gegen die gleichnamige Partei verteidigten und Linken, die bundesweit Geheimlager für Rollatoren eingerichtet haben, um spontane Massendemonstrationen organisieren zu können.

Dennis Prang und Franziska Lehmann ergänzten das einmalige Team, das Ratings als Wahrsagen einer Astro-Show entlarvte, knapp und skurril die Funktionsweise des Euro-Rettungsschirms ebenso erklären konnte wie das freie Spiel der Kräfte, das etwa so ist "wie 15 Löwen und eine Antilope, die darüber diskutieren, was es zum Abendessen gibt". Dass das Neusser Schützenfest meist mit ADS endet, dem Altbier-Defizit-Syndrom, auch Karnevalisten unter Burnout leiden und warum die Neusser Schulklos zentrales Thema der Politik zwar nicht sind aber sein sollten, waren die Erkenntnisse der aberwitzigen Show, die Daily-Soaps aufs Korn nahm, über V-Leute und Nazis nachdachte und deutsche Vorurteile gegen Euro-Sünder Griechenland auf eine absurde Spitze trieben, erst recht in einer Parodie auf einen Schlagerwettbewerb die klischeehaftesten aller Urteile über die europäischen Nachbarländer ins Groteske verzog.

Natürlich durfte "dat Rosie" nicht fehlen, Sabine Wiegands schrille Vollzeitmutter, die mit Lockenwicklern im Haar vom täglichen Stress mit den "Blagen" erzählte und darüber nachdachte, dass Männer wie Lavalampen sind, "schön zu beobachten, aber besonders hell sind sie nicht". Für passende Musik zwischen Ohrwurm und Parodie sorgte über mehr als drei Stunden die tolle Dee-Band. Mit pointierten, herrlich bösen Texten gaben Jens Neutag und Martin Maier-Bode, mit ironischen Songs Sabine Weigand der Show ihr charakteristisches, einzigartiges Profil, das die Stunksitzung ausmacht.

(NGZ)
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