Herr Breuer, der Vorschlag, die Stadt in „Neuss am Rhein“ umzubenennen, ist nicht nur ein PR-Gag für den Sommer gewesen. Was versprechen sie sich von einer solchen Namensänderung?
Interview Reiner Breuer Mit dem „Rhein“ in die Zukunft
Interview | Neuss · Der Bürgermeister spricht im Interview über Vorhaben zur Weiterentwicklung von Neuss und dem Image als eine Stadt am Wasser.
REINER BREUER Die Bezeichnung „Neuss am Rhein“ zur Individualisierung und Charakterisierung der Stadt findet sich bereits in amtlichen und nicht amtlichen Dokumenten seit dem 19. Jahrhundert. Seit Jahrzehnten verwenden wir den Namenszusatz „am Rhein“ in unserer städtischen Außendarstellung. Auch viele Privatpersonen und Vereine machen das.
Für Neuss ist unzweifelhaft der Rhein mit unserem Namen eng verbunden. Seit mehr als 2000 Jahren bestimmt er die Geschichte der Stadt, hat ihre wirtschaftliche und politische Entwicklung maßgeblich mitbestimmt und war sogar für ihre Gründung entscheidend. Der Rhein ist und bleibt ein wichtiger Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand der Stadt. Dies impliziert der Name „Neuss am Rhein“ und weckt entsprechend positive Assoziationen, auch bei Institutionen und Unternehmen außerhalb von Neuss. Zudem bringen künftige Projekte wie die Umgestaltung des Wendersplatzes und des Rennbahnparks die Neusserinnen und Neusser ebenso näher an den Rhein wie der geplante Boulevard an der Hammer Landstraße oder der Radschnellweg. Hinzu kommt die Ausrichtung des internationalen Großereignisses „Hansetag 2022“ unter dem Motto „Im Fluss der Zeit“.
Das Tragen des Rheins im Stadtnamen leitet sich damit nicht nur aus der langen Geschichte der Stadt Neuss ab, sie weist zugleich in deren Zukunft. Zusammengenommen ergibt sich dadurch die Möglichkeit, mit einer gleichzeitigen Änderung des Stadtnamens in „Neuss am Rhein“ ein dauerhaftes Erkennungs- und Identifikationsmerkmal der Bürgerinnen und Bürger mit hoher Außenwirkung für die Stadt zu schaffen.
Wie verläuft das Procedere, bis man sich offiziell umbenennen darf?
BREUER Der Stadtrat hat beschlossen, zunächst die Bürgerinnen und Bürger zu befragen. Dann geht die Entscheidung zurück an den Stadtrat, der mit einer Mehrheit von drei Vierteln der Änderung zustimmen muss. Erst danach kann die Stadt Neuss die Genehmigung beim zuständigen Landesministerium beantragen. Wir wollen also erst eine repräsentative Erhebung zum Meinungsbild der Bürgerinnen und Bürger durchführen.
Die Stadt soll sich aber auch sichtbar verändern, insbesondere im Innenstadtbereich. Erstes Beispiel Wendersplatz: Die IHK hat mit ihrem Bildungs- und Innovationscampus einen konkreten Vorstoß für eine Überplanung des Geländes gemacht. Sehen Sie die IHK dort als Anker und den Bereich Bildung als tragenden Aspekt für die Neugestaltung, oder doch stärker den kulturellen und gesellschaftlichen Bereich?
BREUER Dass sich die IHK mit ihren Planungen in den Ideenwettbewerb zur Neugestaltung des Wendersplatzes eingebracht hat, freut uns besonders, und wir erhoffen uns dadurch ordentlichen Rückenwind für die Weiterentwicklung der Stadt Neuss an den Rhein. Ein Bildungscampus könnte einen Beitrag zur multifunktionalen Nutzung des Wendersplatzes bis in die Abendstunden leisten. Wir brauchen Frequenzgeber an dieser Stelle. Grundidee ist und bleibt, dass der Platz allen Bürgerinnen und Bürgern zugänglich gemacht wird und zugleich einen passierbaren Übergang schafft hin zum Rennbahnpark und weiter zum Rhein.
Zweites Beispiel: Die Bewerbung für die Landesgartenschau 2026 mit dem ehemaligen Rennbahngelände als Zentrum. Im Rathaus ist man zuversichtlich, den Zuschlag zu erhalten. Warum?
BREUER Wir wissen, dass auch andere Städte ihren Hut in den Ring zur Bewerbung um die Landesgartenschau werfen werden. Was Neuss anbelangt, so haben wir zusammen mit der Bürgerschaft nicht nur ein besonders attraktives Konzept erstellt, wir erfahren auch viel Zuspruch. Für die Bewerbung ist es wichtig, dass diese von der Stadtgesellschaft mitgetragen wird. Der Stadtrat hat einstimmig der Bewerbung zugestimmt und die rege Teilnahme sowie die zahlreichen Eingaben bei den Bürgerbeteiligungsformaten lassen auch den Rückhalt in der Neusser Stadtgesellschaft erkennen. Dieser Rückhalt dürfte auch darin begründet sein, dass die Mehrheit der Menschen verstanden hat, dass es sich bei der Durchführung der Landesgartenschau nicht um eine „Blümchenschau“ handelt, sondern um ein Instrument der Städteplanung, das eine dauerhafte und attraktive Nutzung, insbesondere des Rennbahn-Areals, für alle Bürgerinnen und Bürger schafft.
Bei der zukünftigen Stadtentwicklung spielt auch das Thema Mobilität – insbesondere in Anbetracht der Klimaschutzdebatte – eine wichtige Rolle. Der Verkehrsversuch mit der Sperrung der Sebastianusstraße für den Autoverkehr und mit mehreren Fahrradstraßen wird von Beginn an öffentlich teils sehr kritisch gesehen. Können Sie das nachvollziehen – vor allem, wenn doch die Öffentlichkeit auch vehement fordert, mehr für den ÖPNV und den Fahrradverkehr zu tun?
BREUER Wir betrachten den Verkehrsversuch nicht nur unter dem Aspekt der Klimaschutzdebatte. Hier geht es auch um die Aufwertung der Aufenthaltsqualität in der Innenstadt, die fit für die Zukunft gemacht werden muss. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Debatte vor Ort sehr viel differenzierter geführt wird, als dies beispielsweise in den sozialen Netzwerken geschieht. Wir haben demgegenüber ein gutes Beispiel mit dem Markt, auf dem vor 20 Jahren noch Autos parkten.
Es müssen erst einmal alle die Erfahrung sammeln, dass eine Fahrradstraße nicht bedeutet, dass andere Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen werden. Im Gegenteil: Es geht mehr um die Schaffung eines Miteinanders. Das hat man in anderen Ländern und Städten bereits geschafft, und ich bin mir sicher, dass wir das auch in Neuss schaffen werden.
Wenn man die Autos aus der Innenstadt raushalten will, und am Wendersplatz irgendwann die heutigen Parkplätze wegfallen, braucht man dann nicht wenigstens die Straßenbahn in der City?
BREUER Die Straßenbahn fährt ja quer durch die Innenstadt, und wir wollen sie behalten und in das Hammfeld ausbauen. Schön wäre es, wenn wir auch die U 75 über die Batteriestraße an der Innenstadt vorbei verlängern könnten. Was die Parkplätze am Wendersplatz anbelangt, so wird es alternative Parkplätze am Platz oder in der Nähe geben. Wie dies genau nachher ausschauen wird, werden die konkreten Planungen ergeben.
Die Corona-Pandemie ist seit eineinhalb Jahren das alles überlagernde Thema. Wie ist die Stadt Neuss bislang durch die Krise gekommen?
BREUER Wir hatten sozusagen „das Glück der Tüchtigen“, dass die Infektionen in Neuss bislang recht gering waren. Das haben wir vor allem den Menschen in unserer Stadt zu verdanken, die sich weitestgehend an die Sicherheitsmaßnahmen gehalten haben: Abstand halten, Maske tragen und Hände waschen. Wenn wir dies alle weiterhin beherzigen und uns alle impfen lassen, dann bin ich mir sicher, dass wir schon im nächsten Jahr zum Beispiel wieder ganz normale Schützen- und Heimatfeste werden feiern können. Die Veranstaltung des Novesia-Fun-Parks zeigt, dass die Stadt bemüht ist, die besonders hart getroffenen Branchen, wie beispielsweise die Schausteller und die Gastronomen, so gut es geht von ihrer Seite aus zu unterstützen.
Die Schule hat vor kurzem wieder begonnen. Wie viel Sorgen machen Sie sich, dass nicht doch bald wieder umfangreich Klassen in Quarantäne geschickt werden müssen?
BREUER Als Stadt sind wir darauf gut vorbereitet, wobei wir nur die Aufgabe haben, die Schulräume zur Verfügung zu stellen und die Ausstattung sicherzustellen. Wir haben in der Ferienzeit wieder zweistellige Millionenbeträge in den Schulen verbaut. Wir investieren aber auch in die Digitalisierung. Luftfilter haben wir in den Schulklassen installiert, die keine ausreichende Lüftungsmöglichkeit haben. Zum Glück sind das nur relativ wenige.
Das Schützenfest fällt zum zweiten Mal aus. Den Novesia-Fun-Park als Kirmesalternative haben Sie bereits angesprochen. Wie zuversichtlich sind sie, dass nächstes Jahr wieder Schützenfest gefeiert werden kann?
BREUER Bei der Eröffnung des Novesia Fun Parks kam das erste Mal seit Beginn der Pandemie wieder ein richtiges Kirmes-Gefühl auf. Ich bin mir sicher, dass gerade die Schützen und deren Familien dies vermissen. Die Schützen sind daher auch sehr aktiv in der Bekämpfung der Pandemie und unterstützen den Aufruf, sich impfen zu lassen. „Wir.Schützen.Neuss“ und „Du fehlst uns!“ sind Kampagnen, die hoffentlich dazu führen werden, dass jeder versteht, wie wichtig es für uns alle ist, dass wir uns impfen lassen. Wie schon gesagt: Wenn wir weiterhin die Hygieneregeln beachten und uns alle impfen lassen, dann bin ich mir sicher, dass wir schon im nächsten Jahr wieder ein ganz normales Schützenfest werden feiern können.
Würden Sie vielleicht einschätzen, die Chancen für kleinere Feste in den Stadtteilen ist 2022 größer als für das Bürger-Schützenfest mit einer Million Besucher?
BREUER Selbstverständlich werden die Schützenfeste in den Stadtteilen auf der sichereren Seite sein, da sowohl die Anzahl der aktiv Teilnehmenden als auch der Besucher-
andrang überschaubarer sind, als beim großen Neusser Bürger-Schützenfest. Dennoch bin ich auch hier zuversichtlich für 2022, ohne Einschränkungen feiern zu können.
Halten Sie die 3G-Regel zukünftig für realistisch für solche Großveranstaltungen, oder muss es irgendwann heißen: nur geimpft und genesen?
BREUER Wir arbeiten in all diesen Belangen eng mit dem zuständigen Rhein-Kreis Neuss zusammen und unterstützen die laufenden Impfangebote. Für die Zukunft hoffe ich, dass sich möglichst alle impfen lassen, und überhaupt keine Einschränkungen mehr nötig sind.