Interview zum Auftritt in Neuss Comedy und Kabarett gehören zusammen

Neuss · Mit dem Programm „Lucky Punch – Die Todes-Wuchtl schlägt zurück“ gastiert Michael Mittermeier in Neuss.

 Michael Mittermeier (hier beim Xanten- Sommermusik-Festival) wird wieder mit Rea Garvey und Sasha auftreten. Die drei planen kurz vor Weihnachten zwei Shows in der Jahrhunderthalle in Frankfurt.

Michael Mittermeier (hier beim Xanten- Sommermusik-Festival) wird wieder mit Rea Garvey und Sasha auftreten. Die drei planen kurz vor Weihnachten zwei Shows in der Jahrhunderthalle in Frankfurt.

Foto: Armin Fischer (arfi)/Fischer, Armin (afi)

Herr Mittermeier, der Titel Ihres neuen Programms klingt ja recht martialisch.

Michael Mittermeier Finden Sie? Ich finde es straight, aber nicht martialisch.

Aber es wird vom Comedy-Kampf des Jahrhunderts gesprochen. Passt das zu einem Menschen, der sich stark auch für Umwelt und Menschenrechte engagiert?

Mittermeier Umso wichtiger ist es ja, dass man sich straightet. Auch wenn man sich für eine Sache einsetzt. Es hilft es immer nur, wenn das Wort wirkt. Und es wirkt manchmal nur, wenn es weh tut. Humptibumti-Satire hilft keinem weiter. Betroffenheitskabarett interessiert auch keinen mehr. Stand-up-Comedy soll erst mal den Kopf öffnen, die Menschen lachen machen – und dann kommen die Spitzen.

Wo sehen Sie den Unterschied zwischen Stand-up-Comedy und Kabarett?

Mittermeier Es gibt keinen Unterschied. Wir Deutschen trennen die Wörter nur. Unter Stand-up-Comedy fällt auch Kabarett und Satire. In den USA ist ein Steven Colbert oder ein Trevor Noah zum Beispiel eine Stunde lang sehr politisch, kann aber auch einen Tag nur über witzige Dinge reden. In Deutschland jedoch wird immer gewertet. Ich finde, beides gehört zusammen. Oft ist es nur Hilflosigkeit, dass beides gegeneinander ausgespielt wird. Und natürlich ist Kabarett nicht nur Betroffenheitskabarett, und natürlich gibt es in Deutschland viel schlechte Comedy. Es wird immer nur alles in einen Topf geworfen, dabei gibt es so viele Facetten. Seit fast 32 Jahren bin ich unterwegs und habe festgestellt, dass jeder von uns, egal, ob er sich Kabarettist oder Comedian nennt – die Menschen unterhalten muss. Mir persönlich ist es wurscht, wie man mich nennt.

Wie viel Improvisation steckt in Ihren Programmen? Stand-up-Comedy lebt ja häufig davon.

Mittermeier Es gibt keinen Prozentsatz. Manchmal brauche ich eine Stunde für Improvisation, manchmal nur zehn Minuten. Jeden Abend lasse ich mich neu drauf ein. Grundsätzlich ist das Programm immer in Bewegung, weil ich etwas ausprobiere oder auf aktuelle Geschichten reagiere. Außerdem bin ich die Form gewohnt, das Publikum zu fragen – das hält mich auch frisch. So bin ich auch nach fast 32 Jahren auf der Bühne kein bisschen müde.

Bei Ihren ersten Auftritten am Beginn Ihrer Karriere erinnerten Sie mehr an einen Springball, waren ständig in Bewegung...

Mittermeier (lacht) Ja, ich bewege mich immer noch, gehe sehr viel herum – ich hüpfe nur anders als vor 30 Jahren. Ich kann es besser einsetzen. Aber ich probe immer noch keine Nummern vor dem Spiegel, sondern gehe auf die Bühne und mache. Am Anfang habe ich mich, meinen Körper ausprobiert, da kam raus, was drin war. Doch mit den Jahren ändert man sich, und es fließt ja immer ein, in welcher Lebenswirklichkeit man sich gerade befindet.

Hat Ihre sich auch dadurch verändert, dass Sie Vater sind?

Mittermeier Jein. Natürlich verändert sich das Leben. Die Aufsteherei morgens zum Beispiel – wer mag das schon?. Aber ich bin kein anderer Mensch, nehme nur intensiver wahr, was sich tut – zum Beispiel die Aktion Friday for Future. Natürlich will man für sein Kind eine Welt, in der es leben kann. Aber im Grunde genommen war ich vorher auch schon ein bewusster und politischer Mensch, habe mich engagiert. Insofern gingen die Dinge ineinander über, und ich bin nicht komplett ein anderer Mensch geworden. Für uns – meine Frau ist ebenfalls Künstlerin – hat sich vor allem die Koordination mit unserem Kind geändert: Man kann nicht mehr spontan einfach irgendwo hinfahren. Mal eben drei Monate nach New York, um dort zu spielen – das geht eben nicht mehr einfach so. Aber man muss in Bewegung bleiben, das ist wichtig.

Sie sind ja nicht nur Comedian, sondern auch Synchronsprecher, haben in Filmen mitgewirkt und waren 2011 mit Rea Garvey, Sasha und Xavier Naidoo als „Deutsches Rat Pack“ unterwegs. Aber gesungen haben Sie nicht...

Mittermeier Da durfte ich gewissermaßen mal reingrätschen, aber habe mehr moderiert. Unser Rahmen war schließlich die Geschichte vom Comedian, der sich immer durchsetzen muss.

Die Tourneen waren so erfolgreich, dass man doch eigentlich an einen Wiederholung denken könnte, oder?

Mittermeier Tatsächlich haben Rea, Sasha und ich vor sechs Wochen beschlossen, eine Weihnachtsshow zu machen. Bei Xavier passt es leider nicht in den Tourplan, aber das ist eben so. Wir haben einfach geguckt, wo es eine schöne und freie Halle gibt: Drei Tage vor Weihnachten ist die Jahrhunderthalle frei! Wir freuen uns irrsinnig darauf, sind schließlich Freunde, finden es toll, wenn wir uns auch mit unseren Familien treffen und Weihnachten vorfeiern können. Es ist einfach geil, dass wir uns wieder rauswagen mit einem Produkt, das gar nicht richtig fertig ist, auch wenn wir uns ein paar Mal treffen und vorbereiten. Schon bei den ersten Touren haben wir improvisiert wie Comedians, die Jungs waren genau so lustig. Wenn man sich auf der Bühne auf Augenhöhe trifft, ist das einfach nur super.

Fehlt ja nur noch die TV-Aufzeichnung.

Mittermeier So weit haben wir gar nicht gedacht. Aber wir werden sehen, was passiert.

(hbm)