Schüler des Nelly-Sachs-Gymnasiums Integriert dank Teleschule

Neuss · Der 13 Jahre alte Jan ist an Leukämie erkrankt. Doch dem Schüler des Nelly-Sachs-Gymnasiums geht es inzwischen wieder so gut, dass er am Unterricht teilnehmen kann. Von zu Hause aus per Kamera, Mikrofon und Telefon. Der 13-jährige Jan nimmt von zu Hause aus am Unterricht teil

Der 13 Jahre alte Jan ist an Leukämie erkrankt. Doch dem Schüler des Nelly-Sachs-Gymnasiums geht es inzwischen wieder so gut, dass er am Unterricht teilnehmen kann. Von zu Hause aus per Kamera, Mikrofon und Telefon. Der 13-jährige Jan nimmt von zu Hause aus am Unterricht teil

"Ach, das ist ja der Satz des Pythagoras. Den kann ich schon." Jan Niehues lehnt sich auf seinem Schreibtischstuhl entspannt zurück. Er lächelt, ist gut gelaunt. Jan blickt immer wieder auf den Computer-Bildschirm vor sich.

Der zeigt einen Klassenraum und die Schüler der 9a des Nelly-Sachs-Gymnasiums. Es ist die dritte Stunde, Mathematik bei Lehrerin Magdalena Lessmann. Sie hat gerade die Ergebnisse der Lernstandserhebung in dem Fach verkündet und nun das Thema Pythagoras aufgerufen. Zwecks Wiederholung.

Jan Niehues ist dabei, hört und sieht alles und ist doch weit entfernt. Der 13 Jahre alte Schüler ist an Leukämie erkrankt, kann seit dem Frühjahr die Schule nicht mehr besuchen. Trotzdem ist er bestens informiert, lernt den gleichen Stoff wie seine Mitschüler. Möglich machen das die Elterninitiative der Kinderkrebsklinik Düsseldorf und die "Teleschule". Im Klassenraum der 9a ist an der hinteren Wand eine Kamera angebracht, mit deren Hilfe Jan den gesamten Klassenraum einsehen und bei Bedarf auch per Computerklick Vergrößerungen vornehmen kann.

So kann er auch alles, was an die Tafel geschrieben wird, gut erkennen. Außerdem steht auf einem der vorderen Tische ein Mikrophon. Bei dem 13-Jährigen zu Hause wurde - im Zimmer seines Bruders Philipp - ein Computer mit Bildschirm und Software aufgebaut.

Über zwei ISDN-Leitungen wird die Verbindung zur Schule hergestellt, das heißt, die Kommunikation erfolgt nicht über Internet. Motor der Teleschule ist Farid Mahria, der für die Kinderonkologie der Heinrich-Heine-Universität solche Projekte realisiert. "Er leistete wertvolle Hilfestellungen bei der Umsetzung", sagte Jans Vater Reinhard Niehues. Die Deutsche Telekom schaffte die notwendigen technischen Voraussetzungen, ein spezieller Telefon-Tarif ermöglicht eine zeitlich uneingeschränkte Nutzung. Sämtliche Kosten werden durch Spenden der Elterninitiative Kinderkrebsklinik getragen.

Es war ein harter Schlag für die Familie Niehues, als die Leukämieerkrankung von Jan erkannt wurde. Sie kam völlig unerwartet. Bis dahin war Jan ein ebenso begeisterter wie erfolgreicher Sportler: Tennis-Stadtmeister und Vize-Bezirksmeister im Judo.

Und gut in der Schule, wo er in der Friedrich-von-Bodelschwingh-Grundschule eine Klasse übersprang. Es folgte für Jan und die Familie eine harte Zeit: Chemotherapie, Infektneigung und die ungewisse Zukunft bestimmten das Familienleben, sorgten für starke psychische Belastungen. Nach zwei Monaten Behandlung fasste Jan Mut und Kraft, begann auch wieder verstärkt sich für die Schule zu interessieren. "Ich wollte den Anschluss nicht verlieren."

Zunächst erhielt er Hausunterricht, das heißt, zugewiesene Referendare und Lehrer kommen - bis heute - acht Stunden in der Woche zu Jan nach Hause und arbeiten den Stoff in konzentrierter Form auf. Im September kam die Teleschule hinzu. Diese Einrichtung ermöglicht Jan und anderen, schwer erkrankten Kindern ein Schritt aus der Isolation, die meistens auf Heim und Klinik beschränkt ist.

"Alles, was ein Stück Normalität in den Lebensalltag bringt, trägt sicherlich zur psychischen Stabilität bei und hat wahrscheinlich auch einen wichtigen Anteil an der Genesung", sagt Vater Reinhard. "Allen Kindern, die sich körperlich fit fühlen, sollte daher die Teleschule unbedingt zugänglich gemacht werden."

Die Teleschule ist nur möglich, weil alle Beteiligten, also auch die Schüler der 9a und die Lehrer, das Projekt mittragen. Anfängliche Skepsis wich im Laufe der vielen Diskussionen (Stichwort: Datensicherheit) und viele Gesprächen mit Schulleitung, Schulamt des Rhein-Kreises und Bezirksregierung großem Tatendrang. Eine Schüler-Mutter sprach letztlich für alle: "Das müssen wir für den Jan tun."

Die Mitschüler zeigen großes Engagement, haben die Schlüsselgewalt über den Schrank mit der Telefonanlage. Mit Kamera, Mikrophon und dem Gefühl, beobachtet zu werden, hat niemand ein Problem: "Es ist einfach eine gute Idee", sagt Klassenkameradin Estira. "Niemand fühlt sich gestört", sagt Mitschüler Philipp, "es ist vielmehr so, als ob Jan wirklich dabei wäre." Der strahlt zu Hause und freut sich schon auf Januar: Dann will er wieder dabei sein. Richtig und nicht nur per Stimme aus dem Lautsprecher.

INFO: Teleschule in Klassenzimmern Die Teleschule leistet einen wichtigen Beitrag zur schnelleren Genesung der kleinen Krebspatienten: Sie transportiert ein Stück "normalen" Alltag in das Krankenzimmer und bietet den Kindern die Möglichkeit, mit ihrem vertrauten sozialen Umfeld in Kontakt zu bleiben. Zudem ist sie ein wirksames Mittel gegen die aufkommende Langeweile, die bei einer langen Krankheitsphase unvermeidlich ist. Und auch die Eltern und Angehörigen werden dank der Teleschule entlastet, wenn das Kind sich täglich zumindest für ein paar Stunden als ganz normaler Schüler fühlen kann. Bei der Umsetzung des Projekts Teleschule werden Schule und Krankenzimmer mittels einer ISDN-Leitung miteinander verbunden. Es ist es nicht erforderlich, dass Lehrer oder Mitschüler ständig per PC Kontakt zum Teleschule -Kind hält und so selber vom Unterricht abgelenkt wird. Die Grundausstattung beim Patienten zu Hause besteht aus einem PC mit ISDN-Karte und Bediensoftware, ISDN-Freisprecheinrichtung sowie ein17-Zoll Monitor. Sofern die Schule mit ISDN-Leitungen und Telefonanschlüssen in den Klassenzimmern ausgestattet ist, lässt sich das System von jedem Raum flexibel nutzen. Weitere Infos unter www.uniklinik-duesseldorf. de und www.duesseldorf.onlinemaus.org

(NGZ)
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