Entscheidung über Kurdisches Zentrumvertagt Initiatoren wollen Projekt vorstellen

Von Ludger Baten

Zeit gewonnen. Die Entscheidung über das geplante kurdische Zentrum im Neusser Norden ist vertagt. Nach Auffassung von Bürgermeister Herbert Napp lag eine "Dringlichkeit" nicht vor, da angesichts der umfangreichen Prüfaufgaben eine Baugenehmigung nicht vor April und somit vor der nächsten Ratssitzung erteilt werden könne. Die Union zog ihren Antrag zurück. So ist Zeit gewonnen, die Napp nutzen will: "Wir sollten alle miteinander ins Gespräch kommen".

Die Ratssitzung begann mit halbstündiger Verspätung. Die CDU-Mehrheitsfraktion hatte Beratungsbedarf - Bedarf, die von den Oppositionsführern gern zugestanden wurde. In der vorgeschalteten Sitzung des Ältestenrates waren die Christdemokraten bedrängt worden, eine "Informationspause" zu ermöglichen, damit die Initiatoren ausreichend Zeit erhalten, allen Entscheidungsträgern das Projekt vorzustellen. Bürgermeister Herbert Napp gab dann die unwidersprochene Steilvorlage zum geordneten Rückzug ohne Gesichtsverlust. "Dringlichkeit" sei nicht gegeben. Die Bauvoranfrage sei nicht entscheidungsreif, und es könne angesichts des umfangreichen Prüfvolumens auch vor April und somit vor der nächsten Ratssitzung keine Baugenehmigung erteilt werden. Daraufhin zog Vorsitzender Karlheinz Irnich den CDU-Antrag zurück, unterstrich aber die ablehnende Haltung seiner Fraktion: "Mit dem Wissensstand von heute würde die CDU diesem Projekt an dieser Stelle nicht zustimmen."

Bürgermeister Herbert Napp, der dem Projekt "unaufgeregt" begegnet ("Wir haben bereits seit sieben Jahren ein kurdisches Zentrum in Neuss - und keiner hat's bemerkt"), wirbt dafür, die gewonnene Zeit zu Informationsgesprächen zu nutzen. Dazu hält sich auch Architekt Ulrich Krüger-Limberger bereit. Der Sozialdemokrat aus Darmstadt, der nach eigenen Angaben schon für den verstorbenen Ignaz Bubis in Berlin baute und einst gemeinsam mit FDP-Ratsherr Dr. Achim Rhode bei den Jungen Liberalen agierte, bietet sich als Gesprächspartner für alle an, "die sich ernsthaft für die baulichen Planungen, die inhaltliche Konzeption und die Bauherren informieren wollen." Der "Kurdische Verein zur Förderung kurdischer Kultur und Sprache", der zum 1. Januar 2001 mit Sitz in Neuss gegründet wurde und einen Antrag auf Gemeinnützigkeit gestellt hat, will sich der Neusser Bürgerschaft mit einem Konzert in der Innenstadt vorstellen.

Im Herbst des Vorjahres traten Musikerin Semi und ihre Freunde im Zeughaus auf: "Damals kamen nur wenige Gäste. Das wird jetzt sicherlich anders." Semi und Vorstand Akin Cevat versicherten am Rande der Ratssitzung, das neue Zentrum werde "weder für religiöse noch für politische Tätigkeit" errichtet; dort solle ein (multi-)kulturelles Zentrum entstehen. Für knapp 20 Millionen Mark soll östlich des Baggersees (Bataver-./.Gladbacher Straße) ein Gebäudekomplex entstehen, in den das kurdische Nationalarchiv, Säle mit 100 bis 800 Sitzplätzen, Tagungs- und Beherbergungsräume sowie Ton- und Fernsehstudios einziehen werden. Bereits seit 1993 nutzt die "Kurdische Akademie" das 5000 Quadratmeter große Areal und die alten Gewerbe-Aufbauten, die für das neue Projekt abgerissen werden müssten. Eine kulturelle Nutzung ist mindestens bis April 2001 genehmigt. Es sei zu prüfen, ob ein Anspruch auf Schadensersatz bestehe, wenn jetzt kurzfristig diese kulturelle Nutzung untersagt werde, wie dies die CDU zunächst beantragt habe.

Eigentümer ist ein in Kaarst lebender Kurde, der sein Grundstück dem investierenden Verein zur Verfügung stellen will. Derzeit ist das Zentrum geschlossen. Der Grund: Auflagen des Brandschutzes. "Der Bauherr investiert doch nicht viel Geld in kurzfristige Verbesserungen, wenn er in wenigen Monaten das Gebäude abreißen und neu bauen will", sagt Architekt Krüger-Limberger. Im Rathaus wird derzeit die Bauvor- anfrage geprüft. Nach Auffassung von Planungsdezernent Stefan Pfitzer erfüllt das Projekt die Vorgaben des rechtsgültigen Bebauungsplanes: "Wir sind rechtlich verpflichtet, eine Baugenehmigung zu erteilen." Eine verkehrliche Erschließung wird über die Hermann-Klammt-Straße angestrebt; eine ausreichende Anzahl von Parkplätzen muss nachgewiesen werden.

Schon kursiert die Idee, der Investor könne das nahe, schon 250 Autos fassende Parkhaus um eine Etage vergrößern. Für Architekt Krüger-Limberger sind die städtebaulichen und verkehrstechnischen Probleme "beherrschbar" und er bezeichnet das neue Zentrum als "kulturelle Chance" für Neuss. Die Einschätzung, diesen Eindruck habe er gewonnen, teile auch das städtische Kulturamt.

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