Herbert Napp "Ich würde vieles diplomatischer machen"

Neuss · Der aus dem Amt scheidende Bürgermeister Herbert Napp spricht im Talk auf dem blauen NGZ-Sofa über 17 Jahre Amtszeit.

 Bürgermeister Herbert Napp saß zum dritten Mal bei Ludger Baten auf dem NGZ-Sofa. Der Talk wird unterstützt von der Frankenheim-Brauerei.

Bürgermeister Herbert Napp saß zum dritten Mal bei Ludger Baten auf dem NGZ-Sofa. Der Talk wird unterstützt von der Frankenheim-Brauerei.

Foto: Lothar Berns

Herr Napp, Sie sind auf der Zielgeraden ihrer mehr als 17-jährigen Amtszeit. Ist das Bürgermeister-Amt in Neuss für Sie das schönste Amt?

Herbert Napp Es ist ohne Zweifel ein ganz besonderes Amt, Bürgermeister zu sein. Und damit meine ich generell in jeder Großstadt, die von der Schaffenskraft und der finanziellen Kraft so ziemlich alles schaffen kann. Hauptamtlicher Bürgermeister ist einer der schönsten Berufe. Kommunalpolitik ist so konkret, die Umsetzungsphasen sind kurz. Man ist in der unmittelbaren Nähe zu den Bürgern und im direkten Dialog. Da mache ich gerne Politik. Im Bundestag in der 70. Reihe zu sitzen wäre nie mein Ding gewesen.

Neuss gilt in Ihrer Amtszeit nicht nur wegen des Schützenfestes als Monarchie.

Napp Es gibt viele Kinder, die jetzt wahlberechtigt sind, die damals, als ich ins Amt gekommen bin, noch gar nicht geboren waren. Bevor das monarchische Züge bekommt, muss man alleine deshalb aufhören.

Hätten Sie sich auch vorstellen können, in einer anderen Stadt Bürgermeister zu sein?

Napp In Baden-Württemberg ist das durchaus denkbar und sogar üblich, dass Bürgermeister-Kandidaten von einer zur anderen Stadt wandern. In NRW ist das nicht der Fall. Ich bin der Überzeugung: Wenn man hier groß geworden ist, ist es ein Traum, hier Bürgermeister zu sein.

Wann haben Sie zum ersten Mal ans Aufhören gedacht?

Napp Ich stand vor der Frage, ob ich ein Jahr früher aufhöre, oder ob ich noch fünf Jahre dranhänge. Das wären dann mehr als 20 Jahre Amtszeit gewesen. Dann ist zu vieles eingeschliffen, man hat Urteile und Vorurteile - da muss man wissen, wann Schluss ist. Ich trete im Oktober mit 69 ab, das ist in Ordnung. Man selbst ist nicht ewig. Nur Neuss ist ewig.

Wie soll man sich an Sie und Ihre Amtszeit erinnern?

Napp Spontan würde ich sagen: Er war ein Original, unkompliziert, hatte alternative Ideen und passte in keine Schublade.

Haben Sie Neuss verändert?

Napp Neuss hat sich verändert. Und ich habe dazu einen Beitrag leisten können mit Politik und Verwaltung. Ich musste als Ideengeber und Umsetzer einiges zutun. Und letztlich muss alles von der Bevölkerung akzeptiert werden. In diesem Dreiklang haben wir in Neuss eine Menge verändert.

Damals sind Sie angetreten mit dem Wunsch, Neuss, sollte offener, bunter und internationaler werden.

Napp Ja. Neuss ist eine liebenswerte Stadt im Rheinland. Das Rheinland ist ein Schmelztiegel aus den unterschiedlichsten Bevölkerungen. Die Vorzüge des Rheinländers, die Weltoffenheit, habe ich in Neuss damals nicht so sehr empfunden: Man war stolz auf seine Mauern. Mir hat gefehlt, dass diese Mauern auch Tore haben und man sie öffnen kann. Das war mir sehr wichtig, weil wir Neusser sind, die im Rheinland leben.

Woran erinnern Sie sich gerne?

Napp Wir Politiker haben die Eigenart, schnell zu vergessen, weil man sonst zu viel Zorn in sich trägt. Ich vergesse schnell, so ungefähr nach 30 Jahren (lacht). Im Ernst: Ich kann mich an kein besonderes Ereignis erinnern, sondern an die Summe aus der Gestaltung der Stadt.

Die Straßenbahn in der Innenstadt war immer wieder ein großes Thema.

Napp Seit den 1960er Jahren wurde diskutiert über die Straßenbahn - wir hatten in der Diskussion alles von der U-Bahn bis zur Schwebebahn. Die Meinung hat sich in den Lagern verfestigt, das war nicht aufzulösen. Also griffen wir zu einem Trick: Wir haben die Bürger befragt. Mit einer Mehrheit von 3000 Stimmen wurde für den Verbleib gestimmt. Wir haben aus zwei Gleisen eines gemacht und damit eine gute Lösung gefunden.

Bürgerbeteiligung ist also ein Trick?

Napp (lacht) Es ist ein Instrumentarium.

In Ihrer Amtszeit wurde der Markt autofrei. . .

Napp ... und das hat mich sechs Jahre meines Lebens gekostet. Aber wir haben es geschafft, die Leute davon zu überzeugen, dass der Markt kein Parkplatz ist. Einzelhandel funktioniert auch, wenn man nicht mit dem Auto ins Gardinengeschäft fährt.

Zählt auch die Skihalle zu ihren positiven Punkten?

Napp Ja. Es war wichtig, dass die Stadt ihre Mauern verlassen hat. Und wenn man sieht, wie sie sich entwickelt hat und welche Ideen es noch gibt, dann ist das großartig.

Zur Skihalle gehört auch die Straßenbau-Affäre. Haben Sie da auch vergessen?

Napp In großen Teilen. Dass das kein Meisterstück war von Verwaltung und Bürgermeister, was die Kontrolle anbelangt, daran gibt es keinen Zweifel. Dass es eines Disziplinarverfahrens bedurft hat, ist in Ordnung. Aber Vorwürfe der groben Fahrlässigkeit mit der Folge, dass ich hohe sechsstellige Beträge hätte zahlen müssen, das ist ein Thema, das ich nicht vergessen werde. Ich bin für mittelprächtige Gemeinheiten zu haben, aber den Versuch zu unternehmen, jemanden in der Substanz kaputt zu machen, da bin ich der Elefant von den 30 Jahren.

In Neuss gab es lange den Grundstücksfonds mit 45 Millionen Mark.

Napp Das war für mich ein Phänomen, als ich 1975 Stadtverordneter wurde. Wenn früher 30 000 Mark fehlten, hieß es: Das machen wir über den Grundstücksfonds. Der stand nirgendwo, aber alle hatten ihn im Kopf. Ich fand das in Ordnung, weil damit Stadtentwicklung betrieben wurde. Gewinne aus Grundstücksverkäufen wurden thesauriert. Man braucht Reserven, um Stadtentwicklung zu bezahlen.

Jetzt findet mit den Höffner-Millionen aber genau das Gegenteil statt: Das Geld wird verkonsumiert.

Napp Das ist richtig. Ich finde es in der gegenwärtigen Situation richtig, den Haushalt über Erlöse aus Grundstücksverkäufen auszugleichen. Es darf aber nicht zur Gewohnheit werden, durch den Verkauf von Substanz konsumtive Ausgaben im Haushalt auszugleichen. Sonst ist das der Anfang vom Ende.

Sie standen oft in den Schlagzeilen. Haben Sie Nehmerqualitäten?

Napp Die entwickelt man. Das Rathaus ist keine Nonnenschule. Aber ich bestehe nicht nur aus Knochen und dickem Fell. Streit und Auseinandersetzung gehören dazu.

Auch mit Ihrer Fraktion haben Sie oft über Kreuz gelegen. Sie wurden einstimmig gewählt. Nachher hatten Sie weniger Rückhalt.

Napp Das ist ein Stück weit das Rollenverständnis. Ein Bürgermeister kann nicht an der Leine der CDU-Fraktion geführt werden, er ist Bürgermeister für alle Neusser. Diesen Konflikt haben wir geführt.

Was würden Sie anders machen?

Napp Ich wäre nicht so ungeduldig und stur, und würde vieles diplomatischer, freundlicher und argumentativer machen.

Wünschen Sie sich eine neue kommunale Neugliederung mit Neuss als kreisfreier Stadt?

Napp Das wäre ein Traum. Städte mit mehr als 100 000 Einwohnern können alles alleine regeln. Eine Kreisverwaltung ist für uns nicht notwendig. Wir sind trotzdem eingekreist worden. Das hat sich damals nicht gehört und gehört sich auch heute nicht.

Woran merken Sie das?

Napp Zum Beispiel am anstehenden Besuch der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Normalerweise bespricht die Staatskanzlei das Programm mit dem Rathaus - in einer kreisfreien Stadt zumindest. Bei uns geht das so: Die Staatskanzlei teilt dem Regierungspräsidenten ihre Wünsche mit, der leitet das an den Kreis weiter, und ich bekomme dann dieses Schreiben und habe stramm zu stehen: Ich soll sagen, wie die finanzielle Situation der Stadt wäre. Ich bin doch Kleinkind! Da habe ich zurückgeschrieben: Sie können sich beim statistischen Landesamt erkundigen.

Was haben Sie ab Oktober vor?

Napp Ich werde mich neu erfinden und warne jeden, mich danach zu fragen.

ANDREAS GRUHN FASSTE DAS GESPRÄCH ZUSAMMEN. LANGFASSUNG BEI WWW.NGZ-ONLINE.DE

(NGZ)
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