Neuss Heimat für verfolgte Christen

Neuss · Nach drei Jahren in einem syrischen Lager kam Familie Kuba durch Vermittlung der Vereinten Nationen nach Neuss. Wie gut 20 weitere Landsleute einer verfolgten Minderheit im Irak sollen auch sie dauerhaft in Deutschland bleiben.

In einer Kultur, die nicht die seine ist, einem Land, dessen Sprache er kaum spricht, fühlt sich Mahér Kuba "wie neu geboren". Denn der Flüchtling aus dem Irak, seit neun Monaten in Neuss, hat nach Jahren in einem syrischen Flüchtlingslager endlich wieder eine Perspektive für sich und seine fünfköpfige Familie.

Der 46-Jährige, seine Frau und seine drei Töchter gehörten in ihrer Heimat zur christlichen Minderheit. Im Irak waren sie Repressalien und Verfolgung ausgesetzt, so dass viele das Land verließen und in Syrien und Jordanien Zuflucht fanden — aber keine neue Heimat. Die Vereinten Nationen setzten sich für eine Ausreise dieser Menschen ins westliche Ausland ein, und die Bundesrepublik Deutschland erklärte sich bereit, 2500 Iraker dauerhaft aufzunehmen. Inzwischen sind alle da — und Familie Kuba gehört zu ihnen. Deutschland oder die USA waren ihnen als Zielland in Aussicht gestellt worden, und es wurde Neuss. Wie für 20 andere auch. Dort fühlen sie sich gut aufgenommen.

Neuss war eine von nur fünf Kommunen in NRW, die diese Flüchtlinge aufnehmen sollte. Begründung: Es sollte eine christlich-chaldäische Gemeinde in der Nähe sein, damit die Flüchtlinge ihren Glauben in Gemeinschaft leben können. "Diese Gemeinde haben wir nie gefunden", sagt Jürgen Hages vom Integrationsbüro im städtischen Rathaus. Die Iraki kamen trotzdem. Und Kubas, so berichtet der Vater, besuchen deutsche Gottesdienste. "Wir wissen aber nicht, was die sagen." Noch nicht. Denn die Familie mit drei schulpflichtigen Töchtern lernt eifrig Deutsch.

Die Aufnahme der Iraker verlief unproblematisch, sagt Hages, begann aber mit einem Rückschlag. "Die erste Familie, eine Mutter mit zwei Kindern, wollte schon am zweiten Tag nach Hause." Kontakt hat die Behörde nicht mehr. Aber das hängt auch mit der Freizügigkeit zusammen, die diese UN-Flüchtlinge von Anfang an genossen. Da sie dauerhaft in Deutschland bleiben sollen, erhalten sie von Anfang an Sozialleistungen, dürfen Sprachkurse besuchen und sich selbst eine Wohnung suchen. So blieben auch die Kubas nur zwei Monate in einem Übergangswohnheim, bevor sie Am Baldhof eine schöne helle Wohnung fanden.

Arbeit aber hat Mahér Kuba noch nicht. Daheim im Irak hatte er Tourismus studiert — und würde sich einen Job in dieser Richtung auch in Deutschland wünschen. Auch wenn er es wohl nicht — wie im Irak — bis in ein Ministerium schaffen wird.

Der berufliche Aufstieg in seiner Heimat brachte den 46-Jährigen ins Visier von Terroristen. Die entführten Kuba, um aus ihm Informationen über seinen Minister und dessen Stellvertreter zu erpressen — zur Vorbereitung eines Anschlags. Kuba stellte sich ahnungslos, da entließen sie ihn mit einer zehntägigen "Bedenkzeit" — und mit der Drohung, im Falle einer Weigerung seine Familie zu ermorden. Diese Galgenfrist nutzte Kuba zum Abtauchen im Irak und zur Vorbereitung der Flucht nach Syrien. Raus aus einem Land, in dem seine Töchter zur Teilnahme am Islam-Unterricht gezwungen wurden, das Leben für Christen immer schwieriger wurde.

Die Flucht gelang am 14. November 2006, drei Jahre in Syrien folgten. Ohne Arbeitserlaubnis, ohne Perspektive aber konnte auch dies nur eine Zwischenstation sein. Da kam die Nachricht von der Ausreise. Was ihm in Deutschland am besten gefällt? Mahér Kuba: "Dass vor dem Gesetz alle gleich sind."

(NGZ)
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