Shakespeare-Festival Neuss Ein unvergesslicher Kino-Abend mit Musik zu „Hamlet“ im Globe

Neuss · Rund 220 Zuschauer schauten sich im Neusser Globe den Film „Hamlet“ von 1921 an. Michael Riessler hat ihn neu vertont.

 Michael Riessler hat die Musik zu „Hamlet“ geschrieben und live gespielt.

Michael Riessler hat die Musik zu „Hamlet“ geschrieben und live gespielt.

Foto: Thomas Radlwimmer

Die Experimentierlust des künstlerischen Leiters des Shakespeare-Festivals, Rainer Wierz, scheint ungebrochen. Erstmals gab es jetzt im Globe Neuss ein cineastisches Ereignis: Der legendäre Stummfilm „Hamlet“ von 1921, produziert von der dänischen Schauspielerin Asta Nielsen und mit ihr in der Hauptrolle, wurde auf der Bühne live mit der Musik von Michael Riessler untermalt.

Damit die Leinwand von allen Plätzen gut einsehbar war, wurden die hinteren Ränge gesperrt, anstatt 450 blieben 250 Plätze, die von 220 Besuchern eingenommen wurden. Zumindest vom Zuschauerzuspruch war das Experiment also geglückt.

Nun basiert der größte Filmerfolg nach dem 1. Weltkrieg auf dem Buch „The Mysteri Hamlet“ (von 1881) des amerikanischen Shakespeare-Forschers Edward P. Vining. Danach hat Shakespeare eine norwegische Sage aus dem 12. Jahrhundert genutzt. Nur: In dieser Sage wird Hamlet als Mädchen geboren und gegenüber dem Volk als männlicher Thronfolger ausgegeben. Eine Rolle also wie geschaffen für Asta Nielsen, die mit ihren damals knapp 40 Jahren einen glänzenden Jüngling spielt, der die Ermordung seines Vaters rächen will. Gefeiert wurde Asta Nielsen für ihre schauspielerische Leistung, insbesondere für ihr zurückhaltendes Spiel und ihre dezente Körpersprache.

Vor allem diese beiden Merkmale berücksichtigt der Münchner Jazzklarinettist und Komponist Michael Riessler (61), als er 2007 im Auftrag von Arte den Stummfilmklassiker vertont. Das Besondere der Aufführung im Globe: Die vom Band zugespielte Musik erweitert der Komponist live auf der Bassklarinette, zusammen mit seinem Sohn Lorenzo (Drums, Percussion).  Ihnen gelingen innovative musikalische Umsetzungen mit modernen stilistischen Idiomen zwischen Jazz und Neuer Musik.

Aber auch die Kontrapunktik alter Stile beherrscht Michael Riessler. Zu einer Szene im norwegischen Schloss – gedreht wurde der Film unter der Regie von Svend Gade und Heinz Schall in Goslar – erklingt reine Renaissance-Musik. Passend zur filmischen Erzählkunst werden Soli in Gitarre und Violoncello zur musikalischen Poesie. Ergreifend begleiten die tiefen Register der Bassklarinette den tödlich verwundeten Prinzen. Nur einmal, als Hamlet im 4. Akt Komödianten zum Spiel einlädt, versteigert sich Michael Riessler zu einer mitreißenden Improvisation.

Überwiegend aber bleibt das Live-Spiel von Vater und Sohn verhalten, dabei exzellent abgemischt mit dem Zuspiel vom Band. Die Filmmusik verbindet sich kongenial mit der vorsichtig zurückhaltenden Asta Nielsen. Sehr viel Applaus gab es – und einen vor allem  unvergesslichen Abend.

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