Gemeinnützige Werkstätten Neuss „Mister GWN“ auf Abschiedstour

Neuss · In den vergangenen drei Jahrzehnten hat Christoph Schnitzler die Entwicklung und die Arbeit der Gemeinnützigen Werkstätten Neuss (GWN) als Geschäftsführer geprägt. Ende August geht er in den Ruhestand. Damit endet eine GWN-Ära.

 Christoph Schnitzler (M.) hat über Jahrzehnte die Gemeinnützigen Werkstätten Neuss als Geschäftsführer geprägt. Jetzt geht er in Rente.

Christoph Schnitzler (M.) hat über Jahrzehnte die Gemeinnützigen Werkstätten Neuss als Geschäftsführer geprägt. Jetzt geht er in Rente.

Foto: GWN

Seit 50 Jahren steht die Gemeinnützige Werkstätten Neuss GmbH (GWN) für die gezielte Teilhabe von Menschen mit Einschränkungen an der Arbeitswelt. Maßgeblich geprägt ist die Arbeit der Gesellschaft durch Christoph Schnitzler, der dort seit 30 Jahren Geschäftsführer ist und sich für die Integration der Mitarbeiter in die Gesellschaft, für intensive persönliche Förderung und Qualifizierung eingesetzt hat. „Der Grundstein wurde 1972 gelegt, als die Stadt Neuss federführend und zusammen mit der Lebenshilfe Neuss und dem Förderverein für Köper- und Mehrfachbehinderte die GmbH gegründet hat,“ erzählt Schnitzler.

Später kam der Kreisverband Neuss des Deutschen Roten Kreuz dazu. Der erste Geschäftsführer war Wilhelm Hoymann, der, nachdem Schnitzler 1992 dazukam, die Geschicke der GWN noch bis 1996 mit ihm gemeinsam führte. Dass zu einem selbstbestimmten, erfüllten Leben auch eine Arbeit gehört, erkannten die Verantwortlichen bereits Ende der 60er Jahre: „Wir haben Konzepte entwickelt und umgesetzt, denn eine sinnvolle, bezahlte Tätigkeit schafft Selbstbewusstsein. Sie gibt einem Menschen – mit und ohne Einschränkungen – das Gefühl, gebraucht zu werden oder sorgt als Teil der Tagesstruktur für einen Wechsel der Lebenswelten,“ erklärt Schnitzler.

In den fünf Betriebsstätten in Neuss wird jeder Mitarbeiter seinen individuellen Fähigkeiten entsprechend angeleitet und gefördert. „Unsere Mitarbeitenden haben ein breites Spektrum: Manche sind sehr selbständig und brauchen nur ein bisschen Mut und Unterstützung, um auf eine sozialversicherungspflichtige Arbeit im allgemeinen Arbeitsmarkt vorbereitet zu werden. Andere sind in betriebsintegrierten ausgelagerten Betriebsarbeitsplätzen tätig und wieder andere benötigen eine intensive Assistenz und Pflege, um an der Arbeit teilhaben zu können. Arbeitgeber beraten wir auch, wie die Inklusion gelingen kann.“

Die Begrifflichkeiten und auch die gesellschaftliche Wahrnehmung der Menschen, die mit einer Einschränkung leben, haben einen großen Wandel erfahren. Zum einen sei es früher mehr um Fürsorge und Schutz der Menschen gegangen. Heute spricht man von Assistenz und Begleitung und schaut, was individuell notwendig ist, um eine weitgehend selbstbestimmte Teilhabe am (Arbeits-)Leben zu ermöglichen. Zum anderen gab es auch den sprachlichen Wandel: Aus „den Behinderten“ wurden im Sprachgebrauch „Menschen mit Einschränkungen“.

„Unser größter Erfolg sind zufriedene Menschen“, so Christoph Schnitzler. Dabei sei das Ziel nicht zwingend die Vermittlung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, denn dieser habe oft erst zu den psychischen Erkrankungen der Menschen geführt, sondern die individuell gewünschte Tätigkeit. Schnitzler sieht die GWN „mitten in der Gesellschaft“ und nennt als ein Beispiel das Hof-Café am Kinderbauernhof, wo Mitarbeiter der Werkstätten den Betrieb führen. „Wir begreifen uns als Teil der Neusser Gesellschaft und wollen uns als solcher auch zeigen.“

Persönlicher Kontakt zu den Mitarbeitern und Kollegen ist Schnitzler sehr wichtig und er bedauert, dass die zwei vergangenen „Corona-Jahre“ diesen stark eingeschränkt haben. Selbst heute kann er noch nicht „völlig frei“ durch die Betriebsstätten gehen – im Hinblick auf den gesundheitlichen Schutz der dort Arbeitenden.

Auf die Zeit nach dem aktiven Berufsleben mit mehr selbstbestimmter Zeit freut sich der Vater von fünf Kindern, der am 31. August seine Tätigkeit für die GWN beendet: „Meine Familie steht dann an erster Stelle. Ich möchte Ausflüge machen und mehr reisen.“ Aber er sagt auch: „Meine Arbeit hat mir immer viel, viel Spaß gemacht und ich konnte mit Anderen, die bei uns Verantwortung tragen, einiges gestalten – sonst wäre ich auch nicht 30 Jahre dabeigeblieben. Es war immer eine zufriedenstellende Tätigkeit, die mich erfüllt hat.“

Schnitzlers Nachfolger, Guido Severin, hat am 1. März die Arbeit als Geschäftsführer der GWN aufgenommen.

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