Neuss Grünen-Hoch: SPD gelassen

Neuss · Laut den Forsa-Meinungsforschern steigen die Grünen bundesweit erstmals zur zweitstärksten Kraft auf – vor der SPD. Neusser Politiker beobachten den Höhenflug aufmerksam. Bündnis-Optionen im Rathaus werden vielfältiger.

 Michael Klinkicht, Grüne: "Mit Umfragewerten gewinnt man keine Wahl."

Michael Klinkicht, Grüne: "Mit Umfragewerten gewinnt man keine Wahl."

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Laut den Forsa-Meinungsforschern steigen die Grünen bundesweit erstmals zur zweitstärksten Kraft auf — vor der SPD. Neusser Politiker beobachten den Höhenflug aufmerksam. Bündnis-Optionen im Rathaus werden vielfältiger.

 Ingo Stolz, SPD: "Grüne sind in meinen Augen kein Partner."

Ingo Stolz, SPD: "Grüne sind in meinen Augen kein Partner."

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Sie drücken im Gleichschritt auf die Euphoriebremse. Wenn es um die Beurteilung der rasant wachsenden Zustimmung der Bürger für die Bündnisgrünen geht, sind sich Benno Jakubassa (56, SPD) und Michael Klinkicht (48, Grüne) einmal einig, sie formulieren ihre Skepsis nur unterschiedlich. "20 Prozent für die Grünen sind unnatürlich", sagt der Vorsitzende von 685 Neusser Sozialdemokraten. Auch der Grünen-Chef im Rat übt Zurückhaltung: "Mit Umfragewerten gewinnt man keine Wahl." Aber sie machen Mut. SPD und Grüne sehen die Chancen verbessert, in die von der CDU geführte bürgerliche Mehrheit einzubrechen. Jakubassa atmet auf: "Themen wie Atomkraft, Stuttgart 21 oder Integration lassen den Graben zwischen CDU und grüner Basis größer werden — auch in Neuss."

 Benno Jakubassa, SPD: "20 Prozent für die Grünen sind unnatürlich."

Benno Jakubassa, SPD: "20 Prozent für die Grünen sind unnatürlich."

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Auslöser der jüngsten Analysen und Gedankenspiele sind die seit Wochen glänzenden Umfragewerte der Grünen. Die Meinungsforscher von Forsa sehen die Ökopartei bei der so genannten "Sonntagsfrage" nun bereits in der dritten Woche mit 24 Prozent nach der CDU (31 Prozent) als zweitstärkste politische Kraft in Deutschland — einen Prozentpunkt vor der SPD. FDP (4 Prozent) und Linke (11) folgen deutlich abgeschlagen.

 Ingeborg Arndt, Grüne: "Grüne zeigen bei Großprojekten wieder Flagge."

Ingeborg Arndt, Grüne: "Grüne zeigen bei Großprojekten wieder Flagge."

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Die Neusser Grünen bemühen sich trotz Höhenflug sichtlich um Bodenhaftung. Die kampferprobte Ratsfrau Ingeborg Arndt (64) freut sich zwar, "wenn die Menschen wirklich so vernünftig würden". Doch sie traut den Umfragewerten nicht: "Ich möchte erst einmal sehen, was am Ende wirklich für ein Ergebnis herauskommt, wenn das nächste Mal die Stimmzettel ausgezählt werden." Arndt sind Überzeugungen wichtiger als das Schielen auf Umfragekurven: "Wir Grünen zeigen bei Großprojekten Flagge und sagen: Raus aus der Atomkraft." Mit dieser konsequenten Haltung, "die ist aber notwendig", gehe ihre Partei zwar deutlich auf Distanz zur Union, aber dafür "gebe es auch in Neuss ausreichend Köpfe bei der SPD, gerade auch unter den jungen Kommunalpolitikern, die gesprächsbereit sind."

Schärfster Grünen-Kritiker unter den Sozialdemokraten ist Stadtverordneter Ingo Stolz (62), der besonders pointiert formuliert. Als er Michael Klinkicht, den Fraktionschef der Grünen im Rat, einst als "schwarzlackierten Grünen" bezeichnete, handelte er sich einen Ordnungsruf ein. Stolz nimmt den Grünen übel, dass mit dem Slogan "Weg mit dem schwarzen Filz" Wahlkampf machten, um anschließend mit der CDU in Neuss eine Zählgemeinschaft einzugehen: "Das ist in meinen Augen kein Partner." Dennoch würde an Stolz letztlich eine rot-grüne Zusammenarbeit im Rathaus nicht scheitern. Dazu ist er viel zu sehr Parteisoldat: "Ich bin Mitglied der SPD und kämpfe für meine Überzeugungen. Setzen sich andere Meinungen durch, dann akzeptiere ich aber auch andere Mehrheiten."

Jakubassa räumt ein, dass die SPD bei Wahlen enorme Probleme gehabt habe. Es sei ein langer Weg, einmal verlorenes Vertrauen zurück zu gewinnen: "Wir müssen Geduld haben, ehe wir wieder so stark sind wie vor der Schröder-Zeit." Dazu sei aber eine Erneuerung und die Korrektur von Agenda-Positionen erforderlich. In Neuss sei die SPD weiterhin der Garant für das "soziales Gesicht" der Stadt Neuss.

Als eine "vorübergehende Erscheinung" bezeichnet Heinrich Köppen, Fraktionschef der Liberalen im Rat, den Höhenflug der Grünen, der "nicht durch Leistung unterfüttert" sei. Selbst unter schwierigen Rahmenbedingungen, so zeigte sich Köppen überzeugt, "würde, wenn am Sonntag gewählt würde, die schwarz-gelbe Ratsmehrheit in Neuss bestätigt werden". Auch der Neusser CDU-Chef Jörg Geerlings sieht nach wie vor die größten Gemeinsamkeiten bei CDU und FDP. Ihn erinnere der Höhenflug der Grünen an die FDP: "Grün wird in Regierungsverantwortung entzaubert."

(NGZ)
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