Neuss Grimms Märchen in moderner Fassung

Neuss · Das Rheinische Landestheater spielt den Märchenklassiker "Der Teufel mit den drei goldenen Haaren" der Brüder Grimm in einer neuen Fassung von Katrin Lange. Sie überzeugt mit kindgerechtem Humor und skurrilen Figuren.

 Hans (Pablo Guaneme Pinilla, r.) kann es nicht fassen und die Prinzessin ( Johanne Freya Iacono-Sembritzki, l.) auch nicht: Die Königin (Annette Weitzmann, o. ) will sie einfach so verheiraten.

Hans (Pablo Guaneme Pinilla, r.) kann es nicht fassen und die Prinzessin ( Johanne Freya Iacono-Sembritzki, l.) auch nicht: Die Königin (Annette Weitzmann, o. ) will sie einfach so verheiraten.

Foto: Björn Hickmann

Was für ein trauriger Satz: "Ich weiß gar nicht, wie sich gernehaben anfühlt", sagt die Prinzessin, als sie Hans kennenlernt. Jenen Jungen, den sie auf Geheiß ihrer Mutter, der Königin, heiraten soll und der selbst ob dieses Ansinnens etwas irritiert aus der Wäsche guckt: "Muss man sich nicht erst mal kennenlernen und merken, ob man sich gern hat?" Aber noch bevor er sich einmal umdrehen kann, ist die Ehe schon geschlossen. Geweissagt wurde ihm ja schon, dass er eine Prinzessin heiraten wird. Aber so schnell? Hans und seine Prinzessin büchsen erst mal aus. In den Wald, wo sie sich in einer Höhle verkriechen und dann wirklich Gefallen aneinander finden.

Für diese wenigen Augenblicke der aufkeimenden Zuneigung zwischen dem Sägemüllerburschen und der Prinzessin in der Theaterfassung des Grimmschen Märchens "Der Teufel mit den drei goldenen Haaren" von Katrin Lange im RLT kann Regisseurin Konstanze Kappenstein sich ganz auf die Schauspieler verlassen. Pablo Guaneme Pinilla als Hans und Johanne Freya Iacono-Sembritzki als Prinzessin sind von rührender Unbeholfenheit, nehmen ihre jungen Zuschauer auf eine Weise mit, dass es ganz still ist im Theater, als die Prinzessin selig feststellt: "Jetzt weiß ich, wie gernhaben sich anfühlt!" Und natürlich lässt die Prinzessin ihren Hans nicht allein, als er auf Geheiß ihres Vaters dem Teufel in der Hölle drei goldene Haare stehlen soll. Sie läuft ihm nach, will ihm helfen.

An dieser Märchenfassung ist einiges anderes, als die Grimms sich das dachten. Aber dadurch passt sie in die Zeit, auch mit ihrem kindgerechten Humor und den skurrilen Figuren. Jule Dohrn-van Rossum hat dafür ein wunderbar funktionierendes Bühnenbild für alle Schauplätze gebaut. Sebastian Zarzutzkis Soundtrack ist mal Interpretation, mal die Begleitung.

Und die Rollen von Gut und Böse sind klar verteilt. Hans und seine Prinzessin sind die Guten, natürlich. Aber auch die Großmutter des Teufels ist eine liebe Frau. Die eigentlich Bösen sind König und Königin. Er mehr als sie, denn er will keinen mittellosen Sägemüllersohn für seine Tochter und denkt sich allerhand Tricks aus, um Hans zu töten. Henning Strübbe spielt den König als richtig Fiesen, aber macht ihn mit wohldosierter Tolpatschigkeit zum Glück auch zum Lachobjekt. Seine Königin (Annette Weitzmann) ist affektiert und offensichtlich nicht die hellste. Beide sind sie Figuren, die die jungen Zuschauer problemlos einordnen und deshalb auch verkraften können. Und der Teufel? Als Matthias Brüggenolte vom röhrenden Ungeheuer zu einer rappenden Beatbox mutiert, ist gleich klar: Er ist einfach ein großes Spielkind.

Ohnehin ist das Grundvertrauen in den fröhlichen und selbstbewussten Hans so groß, dass zu keinem Zeitpunkt Zweifel am Happy End besteht. Aber Pinilla zeigt in Gesten und Mimik auch sehr nachhaltig, dass man dafür etwas tun muss: nämlich die eigene Angst überwinden, manchmal mutig sein.

Die Inszenierung wahrt eine gute Balance zwischen Tempo und Langsamkeit, spricht mit netten Kleinigkeiten auch Erwachsene an. Dass allerdings der weise alte Mann wie weiland Reich-Ranicki spricht, und dann auch noch Hans' Wunsch nach Lesestoff mit "aber nicht von Grass, der schreibt schlecht" kommentiert, ist nur - platt.

(NGZ)
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