Neuss Gelebter Artenschutz in Neuss

Neuss · 750 Wildtierarten und mehr als 1000 Pflanzenarten gibt es in Neuss. Die Stadt hat genau ermittelt, in welchen Bereichen welche Art auftritt – diese Flächen seien dann Tabuzonen, sagt Dagmar Vogt-Sädler vom Umweltamt.

750 Wildtierarten und mehr als 1000 Pflanzenarten gibt es in Neuss. Die Stadt hat genau ermittelt, in welchen Bereichen welche Art auftritt — diese Flächen seien dann Tabuzonen, sagt Dagmar Vogt-Sädler vom Umweltamt.

Samstag ist der Internationale Tag der Artenvielfalt. Das Bundesamt für Naturschutz und der Bundesumweltminister haben deshalb zu einem Wandertag aufgerufen, um die Vielfältigkeit der Lebensräume und Landschaften erlebbar zu machen. Neuss beteiligt sich nicht. Denn, so argumentiert das Umweltamt, wo soll man im Stadtgebiet zwei Stunden "am Stück" Natur durchstreifen können? Und doch ist auch der Ballungsraum Stadt voll vielfältigen Lebens.

750 Wildtierarten sind in Neuss zu Hause, 130 davon stehen auf der Roten Liste. Wie der Schwarzmilan, der auf der Ölgangsinsel seinen Horst hat, oder der Kammmolch, der sich im Rheinvorland Standorte zurückerobert. Hinzu kommen 100 vom Aussterben bedrohte Pflanzenarten, erklärt Dagmar Vogt-Sädler, deren Umweltamt 1175 unterschiedliche Pflanzenarten im Stadtgebiet kartiert hat.

Auf die Tierarten ist man nicht zufällig gestoßen, sie wurden vielmehr systematisch gesucht. Und das zum Teil schon seit Jahren. Dabei trieb nicht Forscherinteresse die Suchtrupps an, die zum Beispiel Eulen nächtelang mit so genannten Klangattrappen "verhörten". Es ging wohl in erster Linie darum, künftigen "Ärger" zu vermeiden. Denn jedes Bauvorhaben verlangt nach einer Umweltprüfung — und kann sich erledigt haben, wenn dadurch Lebensräume bedrohter Tier- und Pflanzenarten zerstört werden. Anders als bei den Einzelfallprüfungen, die dann überraschend zum Beispiel auf den Feldhamster stoßen und ein Umplanen verlangen, hat die Stadt Neuss systematisch alle Lebensräume solcher Arten ermittelt. "Wir wissen genau, wo welche Arten auftreten", sagt Vogt-Sädler stolz. Diese Flächen seien dann Tabuzonen.

Und Planungen könnten von Anfang an in Bereiche gelenkt werden, in denen ein solches Konfliktpotenzial nicht zu erwarten ist. Weil nicht zuletzt das neue Umweltschadengesetz Zerstörer von Lebensräumen auch 30 Jahre rückwirkend in Haftung nimmt, ist Neuss mit seiner vorausschauenden Planung gut aufgestellt — und Vogt-Sädler inzwischen eine gefragte Referentin.

So nüchtern der Auftrag, so bemerkenswert das Ergebnis. "Wir waren schon sehr erstaunt, als wir auf die in Neuss brütende Waldohreule stießen", nennt Vogt-Sädler ein Beispiel. Aber auch die im Rheinland selten gewordene Schleiereule, der Wald- und der Steinkauz richten in Neuss Kinderstuben ein.

Die Fledermausexperten wiesen acht Arten nach, darunter die seltene Breitflügelfledermaus. Die wenigsten Sorgen machen dabei die Bestände der Zwergfledermaus — für die findet sich überall im Stadtgebiet ein Plätzchen.

Die Vogelwelt ist mit 49 Brut- und 32 Gastvogelarten (darunter insgesamt 34 bedrohte Arten) vielfältig. "Bemerkenswert", so Vogt-Sädler, "ist insbesondere das Vorkommen von Wachtel, Kiebitz, Feldlerche, Rebhuhn, Pirol aber auch Wanderfalke und Schwarzmilan." Die wurden vor allem in den offenen Landschaften im Süden und Westen der Stadt sowie den Flussauen gezählt.

Die Auen von Rhein, Erft und Norfbach gelten aber auch als Vorrangräume für Libellen. 20 verschiedene Arten wurden in Neuss gesehen, darunter mit der gebänderten Prachtlibelle, der gemeinen Winterlibelle sowie der gemeinen Smaragdlibelle auch drei Rote-Liste-Arten.

Und natürlich finden sich in diesen Niederungen auch die Lebensräume von Amphibien. Acht Arten wurden festgestellt, darunter auch — in den Abgrabungsgräben im Neusser Süden — die streng geschützte Kreuzkröte.

Den gleichen Status haben auch der kleine Wasserfrosch und der Kammmolch, die im Rheinpark laichen. Die Planungen für diesen im Rahmen der Euroga 2002 geschaffenen Lebensraum wurden auch auf die Anforderungen dieses Molches abgestimmt, sagt Vogt-Sädler. Der war in den 1970er Jahren am Scheibendamm gesehen worden — und dann lange nicht mehr. Jetzt ist er wieder sehr zahlreich zu finden.

(NGZ)
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