Serie "Reise In Die Römerzeit" Geheimnis um Heiligtum an der Erft

Neuss · Alte und neue Funde stoßen neue Entwicklungen an - wie ein Mercurius gewidmeter Weihestein aus einem Garten.

 So könnte die Erftbrücke zu Zeiten der Römer in Neuss ausgesehen haben (gezeichnet von Anja Klucke). Aber gab es dort auch ein Heiligtum für Reisende und Händler?

So könnte die Erftbrücke zu Zeiten der Römer in Neuss ausgesehen haben (gezeichnet von Anja Klucke). Aber gab es dort auch ein Heiligtum für Reisende und Händler?

Foto: CSM

Wie viele Zeugnisse der römischen Geschichte noch im Neusser Boden stecken, lässt sich nicht mal erahnen. Bei regulären Bauvorhaben ist es längst üblich, dass zunächst die Archäologen geholt werden, wenn es Kenntnisse über historische Bauten gibt. Aber manches Mal kommt auch in einem Vorgarten etwas zutage, das wie ein simpler Stein aussieht, aber vor hunderten von Jahren viel mehr war. So dürfte in Gnadental/Grimlinghausen noch viel zu finden sein.

Zumindest einer Karte nach, die das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Zuge der Bewerbung für die Aufnahme des Neusser Limes ins schon bestehende Weltkulturerbe "Grenzen des römischen Reiches" erstellt hat. Darauf überlagern rote Flächen, die das von Constantin Coenen entdeckte Römerlager markieren, die bestehende Bebauung bei weitem. Auch der Archäologe Carl Pause - er hat die Ausstellung "Der Limes in Novaesium" im Clemens-Sels-Museum kuratiert - weiß genau: "Der größte Teil des Coenen-Lagers steckt noch in der Erde."

So wundert es nicht, dass auf einem Grundstück in Grimlinghausen ein Stein gefunden wurde, der auf den ersten Blick nach nichts aussah. Erst auf den zweiten offenbarten sich Einritzungen, die sich im Zuge der weiteren Erforschung als lateinische Buchstaben herausstellten. "Es konnte sie nur keiner entziffern", sagt Pause, der in der Vorbereitung der Ausstellung jedoch einen Wissenschaftler fand, der "auf Lateinisch einen Brief schreiben kann" und auch den Buchstaben auf dem Stein auf die Spur kam. Besonders erschwert wurde dies durch den Umstand, dass auch die Römer offensichtlich schon gerne Abkürzungen benutzten: "Mer" stand da, und "VS Mil". Außerdem waren die Buchstaben nicht sauber eingemeißelt, sondern unregelmäßig reingeritzt, was das Erlesen nicht einfacher machte.

Gleichwohl kam der Kollege dem Spruch auf die Spur, denn er hatte, wie Pause sagt, "eine Vorstellung davon, was die Inschriften sagen könnten, und von ihrem Aufbau". Und so kam für diesen Stein heraus: "Mer(curio)/Aram/Modes(t)/Vs Mil(es) - Für Mercurius (hat) den Altar der Soldat Modestus (aufgestellt)".

Es war also ein Weihestein. Für den Gott Mercurius, der die Reisenden und die Händler schützt, wozu auch der Fundort in der Nähe der Erftbrücke passt, die es in römischen Zeiten gab. Der Stein selbst sei vermutlich auch damals schon älter gewesen, meint Pause. Er war weich, ließ sich gut bearbeiten und hat auch eine Vertiefung für Opfergaben.

Für Pause ergibt sich daraus der Schluss, dass an der Erftbrücke ein kleiner Altar gestanden haben muss. Vermuten allerdings kann er nur, dass dieser nicht allein gestanden hat. Gab es noch andere Weihsteine? Oder Votivgaben? War dort ein kleiner Weihebezirk eingerichtet gewesen? Was hatte der Soldat dort erlebt, dass er diesen Stein dort so markierte? Gab es dort gar einen kleinen Tempel oder ein anderes Heiligtum? Das alles sind Fragen, deren Antworten vermutlich noch tief im Neusser Boden stecken. Denn eines weiß Pause genau: Im Umfeld eines so großen Lagers wie Novaesium muss es auch heilige Bezirke oder Tempel gegeben haben. "Aber bislang haben wir noch keinen Hinweis darauf gefunden", sagt er bedauernd. Vielleicht ist der vermeintlich unscheinbare Stein ja der erste.

(hbm)
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