Neuss Fotos mit dem Blick eines Malers

Neuss · In der Reihe "Kunst im Etienne" zeigt die Fotografin Stefanie Pürschler ihre Arbeiten. Sie bildet die Wirklichkeit gefiltert durch ihre eigene Wahrnehmung ab und irritiert mit dem Ergebnis wiederum die des Betrachters.

 Ein Wandteppich der besonderen Art: Stefanie Pürschler hat die Aufnahme einer Wüste auf Teppichboden drucken lassen.

Ein Wandteppich der besonderen Art: Stefanie Pürschler hat die Aufnahme einer Wüste auf Teppichboden drucken lassen.

Foto: Andreas Woitschützke

Der Ausstellungsort ist ungewöhnlich. Auch für die Künstlerin. Aber spannend findet sie es, hat bereits beim Aufbau mitbekommen, wie groß die Anteilnahme der Menschen ist, die sich dort eher gezwungenermaßen aufhalten. Kunst im Krankenhaus ist ein Balanceakt. Besucher wie auch die Kranken soll sie mitnehmen, sie einnehmen, ernst sein, ohne belastend zu wirken. Die Reihe "Kunst im Etienne" hat diesen Akt bislang geschafft, sicherlich auch dank der Arbeit des Kurators Wulf Aschenborn, der seit 2012 etwa zwei Mal pro Jahr einen renommierten Künstler zu einer Ausstellung im "Etienne" einlädt und bisher ausnahmslos das richtige Gespür gezeigt hat.

Das gilt auch für die jüngste Ausstellung, die Fotoarbeiten von Stefanie Pürschler zeigt. Dieses Mal vor allem auf den Fluren der Abteilung für Gefäß- und Thoraxchirurgie, denn es gehört zum Konzept des Krankenhauses, das jedes Mal ein anderer Chefarzt die Patenschaft für die Kunstausstellung übernimmt.

"Baldachin" ist die Schau benannt, und auch wenn der Titel etwas bemüht klingt, soll er doch ein "Zierdach über den Krankenhausalltag spannen", wie es heißt, - die Arbeiten lohnen den Besuch und vor allem das längere Hinsehen.

Pürschler ist Fotografin, aber arbeitet mit malerischem Blick. Das sieht man vor allem an ihren Bildern, die in Moskau entstanden sind und von dem Bemühen zeugen, die Realität schönzusehen. Da werden bröckelnde Fassaden oder kaputte Zäune mit bedruckten Stoffbahnen verhängt, die kaum etwas von der Zerstörung ahnen lassen. Und Pürschler, Meisterschülerin von Professor Thomas Ruff an der Kunstakademie Düsseldorf mit Akademiebrief 2006, lichtet alles so ab, dass dieses Trompte-l'œil (Täuschung des Auges) auf den ersten Blick nicht als solches wahrgenommen wird. Eine raffinierte Fortführung dessen, was schon das Original bezwecken will. Nur dass es der Künstlerin dabei nicht um Verschönerung, sondern um Irritation geht, die ein zweites Hinsehen einfordert.

Bei den Schmetterlingen, die sie an die Decke geheftet hat, ist es ähnlich. So leicht und unbeschwert sieht das aus, wie sie mal klein, mal groß, wie hingetupft, an Flurdecken und Pfeilern hängen. Und erst das zweite Hinschauen zeigt: Die Form stimmt, aber was auf den ersten Blick als Pfauenauge durchgeht, entpuppt sich auf den zweiten als Eulenkopf. Die Wirkung verstärkt Pürschler, indem sie die Augen spiegelt.

Immer und überall geht es in den Arbeiten der Fotografin um Wahrnehmung von Realitäten. Die Bilder haben zunächst ihre eigene durchlaufen, werden zu neuen zusammengesetzt: Da geht eine amerikanische Flusslandschaft nahtlos in die Düsseldorfer Rheinpromenade über. Oder die Fotografien aus einer Wüste in Jordanien: Da ist es der Bildträger, der die Wirkung ins Traumhaft-Irreale begünstigt. Auf Teppichboden hat sie die Fotos gedruckt, sie werden zu Wandteppichen im wörtlichen Sinn und haben je nach Blickwinkel etwas Dreidimensionales. Die leichte Wellenstruktur des Materials gibt manchem Motiv etwas ungeheuer Lebendiges. Was könnte in einem Krankenhaus passender sein!

(NGZ)
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