Public Viewing in Neuss Fußballfans in Sommermärchen-Stimmung

Neuss · An vielen Stellen in Neuss feierten am Samstag Fans gemeinsam den ersten Sieg des deutschen Teams bei der Fußball-EM. Ein „Hotspot“ war das Public Viewing im Strandgut auf der Rennbahn – wo aber dann doch nur 260 Zuschauer eingelassen wurden.

Das „Strandgut“ auf der Rennbahn war Ziel von 260 Fußballfans, die beim Public Viewing den ersten Sieg der deutschen Kicker im Turnier feierten.

Das „Strandgut“ auf der Rennbahn war Ziel von 260 Fußballfans, die beim Public Viewing den ersten Sieg der deutschen Kicker im Turnier feierten.

Foto: Andreas Woitschützke

Der Dichter Heinrich Heine schrieb 1844 sein Epos „Deutschland. Ein Wintermärchen“. Dem Sommermärchen von 2006 entsprach die Stimmung in einem fußballbegeisterten Neuss am Samstag aber eher. Das schöne Wetter sorgte für volle Plätze und Biergärten, und einen überbordenden Markt. Vielerorts war „Public Viewing“ angesagt, denn Deutschlands Nationalmannschaft spielte in München gegen den amtierenden Europameister Portugal. Dabei blieb es aich nach dem Spiel freidlich. Die Polizei meldete keinerlei Vorkommnisse.

Am ehesten entsprach die Stimmung am Samstag der Berliner Fanmeile, wo 2006 die Abschlussfeier des Weltmeisters Deutschland stattfand, in Werner Galka‘s „Strandgut“ auf dem Rennbahnpark. Dabei war es zunächst mucksmäuschenstill, nachdem Christiano Ronaldo mit seinem ersten Tor gegen eine deutsche Nationalmannschaft in der 15. Minute das 1:0 für Portugal markierte. Gut 260 Zuschauer explodierten aber geradezu, als in der 34. Minute der Ausgleich fiel, und erst recht, als die Deutschen keine fünf Minuten später auf 2:1 erhöhten. „Deutschland, Deutschland“ skandierten die ersten Tische. „Wir hätten Platz für 300 Gäste“, sagt Galka, „aber um die Übersicht zu behalten, haben wir nach 260 Fans zu gemacht.“

Fröhlich trotz Niederlage ihrer Mannschaft: Am Hamtorplatz waren auch Fans des portugiesischen Teams stark vertreten.

Fröhlich trotz Niederlage ihrer Mannschaft: Am Hamtorplatz waren auch Fans des portugiesischen Teams stark vertreten.

Foto: Andreas Woitschützke

Optimale Sicht bot die von den Stadtwerken Neuss zur Verfügung gestellte Großleinwand. Ganz vorne saßen Christina und Denise: „Endlich wieder Fußball schauen unter einem Publikum, das mitgeht.“ Ihre hohe Konzentration auf das Geschehen hatte Gründe: Die beiden Mädchen spielen bei der DJK Rheinkraft Neuss Fußball und sind aktuell in der Kreisliga A mit ihrem Team Tabellenführer.

„Total zufällig sind wir hier gelandet“, sagen die Freundinnen Silvia und Kirsten, die eigentlich wenig fußballinteressiert sind. „Aber diese coole Location und die unglaubliche Stimmung macht uns an“, sagt Silvia, die erst seit vier Jahren in Neuss wohnt: „Ich bin sehr glücklich, in Neuss gelandet zu sein. Ich fühle mich hier sehr wohl. Nur nette Leute“, sagt sie – und man glaubt ihr sofort.

Wenig mit Fußball am Hut hat auch Michael Lieven: „Ich bin nur hier, um Freunde zu treffen.“ Gleich fünf Tische hat sein Zug der Scheibenschützen-Gesellschaft bei Werner Galka reserviert. Mit dabei ist auch der CDU-Kreistagsabgeordnete Thomas Klann. „Was mir hier gefällt“, betont er, „kenne ich sonst aus englischen Fußballstadien. Man feiert seinen Erfolg bescheidener und zeigt dem Gegner gegenüber Respekt.“ Portugiesen sind allerdings beim „Public Viewing“ im Rennbahnpark nicht vor Ort.

Gleichwohl greift Thomas Klanns Erfahrung nach dem Tor Portugals zum 4:2 auch im Strandgut um sich. Dafür stehen auch Sabrina und Alina: Die beiden Neusserinnen sind bekennende Gladbach-Fans und bis zu diesem Punkt mit dem Spiel der deutschen Nationalmannschaft vollauf zufrieden. Das ist auch die Polizei, die das Open-Air der Wetthalle besucht. „Hier ist alles okay, überhaupt ist die Lage in ganz Neuss sehr entspannt“, so die Beamten.

 Stilecht „maskiert“: Auch zur EM geht dieser Fan nicht ohne Mundschutz.

Stilecht „maskiert“: Auch zur EM geht dieser Fan nicht ohne Mundschutz.

Foto: Andreas Woitschützke

„Ganz entspannt“: Das betrifft auch das Mit- und Nebeneinander von Fußballkult und Kultur. In unmittelbarer Nachbarschaft zu Wetthalle und Strandgut findet zur Zeit neben dem Globe-Theater der Neusser „Shakespeare-Garden“ open air statt. Die drei Audioinstallationen für deren Besucher während des Fußballspiels und auch die abendliche Aufführung des Shakespeare-Klassikers „Der Sturm“ durch das Globe Ensemble Berlin wurden zu keiner Zeit durch Fangesänge gestört. Da möchte man Silvia und Kirsten, die rein zufällig im Strandgut gelandet sind, mit einem Shakespare-Zitat dann doch recht geben: „Wenn man nicht weiß, wohin man will, so kommt man am weitesten.“

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