Neuss Familie flieht vor Bomben und Granaten

Neuss · Millionen Syrier fliehen wegen des Bürgerkriegs aus ihrer Heimat. So wie Familie Chekhmous, die derzeit in Neuss lebt.

 Walid Chekhmous und seine Frau Miada sind mit ihren Kindern Linda und Muhamed aus Syrien geflohen. Ihr erstes "Zuhause" ist das ehemalige St. Alexius-Krankenhaus, das als zentrale Anlaufstelle des Landes NRW dient.

Walid Chekhmous und seine Frau Miada sind mit ihren Kindern Linda und Muhamed aus Syrien geflohen. Ihr erstes "Zuhause" ist das ehemalige St. Alexius-Krankenhaus, das als zentrale Anlaufstelle des Landes NRW dient.

Foto: Linda Hammer

Das Heimweh ist groß, aber sie sind glücklich, in Sicherheit zu sein: Sieben Monate Flucht liegen hinter dem syrischen Ehepaar Walid Chekhmous und seiner Frau Miada, das gemeinsam mit der achtjährigen Tochter Linda und dem fünf Jahre alten Muhamed vor Bomben und Granaten geflohen ist. Ihr Schicksal steht stellvertretend für das von rund neun Millionen Syrern, die seit Ausbruch des Bürgerkriegs ihre Heimat verlassen haben. Seit zehn Tagen ist die Familie in Deutschland, ist vorübergehend im ehemaligen St. Alexius-Krankenhaus, der zentralen Anlaufstelle des Landes NRW, untergebracht.

Vor seiner Flucht lebte Walid Chekhmous mit seiner Familie in Hasaka, einer kurdischen Region im Nordosten Syriens nahe der Türkei. "Permanent gab es Bombenangriffe", so übersetzt der gebürtige Marokkaner Khalid Lekkak, der als Betreuer im Asylbewerberheim arbeitet, Walids Geschichte aus dem Arabischen. Zudem seien regelmäßig entweder Islamisten oder Regimebefürworter gekommen, die Männer als unterstützende Kämpfer suchten. "Ich will aber gegen niemanden kämpfen", sagt der gelernte Bauarbeiter. Normalen Alltag gab es nicht mehr. "Strom gab es schon länger nicht, wir mussten aus dem Wald Holz holen, um Feuer zu machen fürs Essen", sagt seine Frau Miada. "Wie im Mittelalter."

Als es immer öfter Bombenangriffe gab und Walid keine Arbeit mehr fand, sah die Familie keine Perspektive mehr in ihrer Heimat. Heimlich suchte sie Kontakt zu Schleusern. "Wir haben niemandem von unseren Fluchtplänen erzählt", sagt der 38-Jährige, "denn in Syrien traut keiner mehr dem anderen". Nachdem er sein Haus verkauft hatte zahlte er einem Schleuser 800 Euro. Eine Stunde lief die Familie zu Fuß bis zur türkischen Grenze. Von dort ging es per Bus zunächst nach Istanbul, dann weiter nach Edirne, der westlichsten Großstadt der Türkei. 24 Stunden dauerte die Fahrt.

Von dort sollte es über die bulgarische Grenze gehen. "Doch als die bulgarische Polizei plötzlich zu sehen war, hauten die Schleuser ab", sagt Walid. Die Familie kam vier Tage lang in Haft, dann wurde sie ins Flüchtlingslager Harmanli gebracht. Ein Camp, das noch bis vor kurzem wegen seiner unwürdiger Bedingungen in der Kritik stand.

Als die Familie schließlich eine Aufenthaltsgenehmigung erhielt und das Lager verlassen konnte, suchte sie erneut Schleuser auf. "Für 1500 Euro kamen wir über Ungarn, Rumänien und Österreich nach Deutschland", erzählt Walid Chekhmous.

Noch ist völlig ungewiss, wo der 38-jährige mit seiner bald fünfköpfigen Familie - Miada ist im siebten Monat schwanger - leben wird. "In den nächsten Tagen werden sie nach Burbach bei Siegen kommen", erklärt Jörg Thiel, Leiter der Einrichtung am "Alexius". Anschließend erfolge nach dem sogenannten "Königsteiner Schlüssel" die Verteilung der Asylbewerber auf die jeweiligen Bundesländer. Walid Chekhmous wünscht sich vor allem: "Ich möchte bald wieder arbeiten dürfen und ich hoffe, dass meine Kinder zur Schule gehen können."

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort