Neuss Exzellent gespielte Goldberg-Variationen

Neuss · Pianist Alexandre Tharaud bescherte der Zeughauskonzertreihe einen Höhepunkt Bachscher Musik.

Man muss Alexandre Tharaud bewundern. Der französische Pianist (Jahrgang 1968) gilt als einer der führenden Meister seines Fachs weltweit. In den Zeughauskonzerten der Stadt Neuss stellte er jetzt seine Auffassung der "Goldberg-Variationen" von Johann Sebastian Bach vor. Dazu gehört Mut, denn jede Interpretation wird zwangsläufig mit der legendären Einspielung von 1955 des im Jahr 1982 verstorbenen kanadischen Pianisten Glenn Gould verglichen.

Er hatte in bis heute nicht erreichter Manier die eigentlich für zweimanualiges Cembalo geschriebene "Aria mit verschiedenen Veränderungen vors Clavicimbal mit zwei Manualen" für den Konzertflügel erobert.

Alexandre Tharaud hat sich auf den Vergleich intensiv vorbereitet, verschwand neun Monate in der Versenkung, weil "ich den Goldberg-Variationen einen ganz besonderen Platz unter allem, was ich bisher gespielt habe, geben wollte".

Das führte nun im Zeughaus zu einem Höhepunkt Bachscher Klaviermusik. Der neue, 125.000 Euro teure Zeughaus-Konzertflügel reichte dem Franzosen nicht, er erhielt wunschgemäß einen Yamaha CFX, auf dem er auch seine von der Kritik hochgelobte CD (2015) eingespielt hat.

Es hat sich wohl gelohnt. Denn schon die "Aria" im Rhythmus einer Sarabande mit reich verzierter Melodik erklang in kristallener Klarheit. Dann folgen 30 Variationen, jede dritte ist ein zweistimmiger Kanon über freiem Bass, wiederum im Dreierabstand folgen "Essercizo", die spätestens ab der 14. Variation in die Hexenküche höchst virtuoser Akrobatik führen: weite Sprünge, Überkreuzungen der Hände, Staccati und raffinierte Trillerkünste wiesen Alexandre Tharaud als im Vollbesitz ausgereifter Technik aus.

Dazwischen befinden sich Variationen in der Form von Tänzen oder Charakterstücken. Die 16. Variation leitet als französische Ouvertüre den zweiten Teil ein, zum Schluss erklingt ein humoriges "Quodlibet" über zwei Gassenhauern. Einspielungen der Goldberg-Variationen bewegen sich zwischen 38 (Glenn Gould) und 90 Minuten. Alexandre Tharaud benötigte für das größte Klavierwerk des 18. Jahrhunderts im Zeughaus 72 Minuten, weil er nahezu alle Wiederholungen mit fein gewandelten Nuancen ausführte.

Sein exzellentes Spiel war durch nie nachlassende Gefühlsspannung geprägt, nach "Hexenkünsten" nahm er in entscheidenden Passagen das Tempo heraus. Zum Schluss wird die "Aria" wiederholt, sie wurde zum großartigen und besinnlichen Finale. Sekundenlang war es mucksmäuschenstill, bevor tosender Applaus einsetzte.

Als Zugabe spielte der französische Pianist nun entspannt eine der "Essercizi" von Domenico Scarlatti, sie dienten Johann Sebastian Bach als Vorbild.

(Nima)
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