„Expertenforum Leistungssport“ des Rhein-Kreises Hürden für den lokalen Leistungssport

Neuss · Beim zweiten „Expertenforum Leistungssport“ des Rhein-Kreises diskutierten Vereinsvertreter, Athleten, Politiker und Sportfunktionäre über die Zukunft des Spitzensports. In einigen Bereichen herrscht Nachholbedarf.

 Beim Expertenforum in der Pegelbar (v.l.): Dirk Brügge, Christian Keller, Hans-Jürgen Petrauschke und Michael Scharf.

Beim Expertenforum in der Pegelbar (v.l.): Dirk Brügge, Christian Keller, Hans-Jürgen Petrauschke und Michael Scharf.

Foto: Woitschuetzke,Andreas (woi)

„Früh auf die Sportart festlegen und 30 Stunden Training in der Woche“ – so beschreibt Michael Scharf, ehemaliger Moderner Fünfkämpfer und neuer Leistungssportdirektor des Landessportbunds NRW, den harten Weg in den Spitzensport. Trotz des Pensums träumen viele junge Sporttalente im Rhein-Kreis von einer Goldmedaille bei Olympischen Spielen, vielleicht sogar 2032 in der Heimat.

Wie sich die Situation des Leistungssports im Rhein-Kreis angesichts der 2016 nach den Olympischen Spielen in Rio beschlossenen Leistungssportreform entwickelt, haben Experten aus der lokalen und NRW-Sportszene beim zweiten Expertenforum Leistungssport erörtert. Ein Spitzensportler, der den Weg bis ganz nach oben, sprich, zu Platz fünf bei den Olympischen Spielen, geschafft hat, ist der in Neuss geborene Radrennfahrer Nils Schomber. Er gehörte zu der hochkarätig besetzten Podiumsrunde in der Pegelbar. „Es fehlt Nachwuchs – an dessen Förderung müssen wir arbeiten“, sagt der 24-Jährige, der bis 2012 für den VfR Büttgen am Start war.

Damit in den kommenden Jahren möglichst viele Talente einen ähnlichen Weg gehen und Schüler überhaupt an den Vereinssport herangeführt werden, sollen fünf halbe Trainerstellen geschaffen werden, sagte Landrat Hans-Jürgen Petrauschke. Diese Trainer sollen Zweitklässlern Sportarten der Bundes- und Leistungsstützpunkte im Rhein-Kreis vorstellen und gleichzeitig Talente aufspüren und sie an den Vereinssport heranführen, erklärte Kreisdirektor und Sportdezernent Dirk Brügge.

Eine dieser Sportarten ist Fechten. Seit 2013 ist der TSV Bayer Dormagen Bundesstützpunkt für Säbelfechten – und wird das zumindest bis 2024 bleiben. Will heißen: Fecht-Talente können im Rhein-Kreis optimal gefördert werden. Das sehe in anderen Sportarten, etwa im Schwimmen, schlechter aus, erklärte Ex-Weltklasse-Schwimmer Christian Keller, der die von mehr als 100 Teilnehmern aus Vereinen, Sportinstitutionen und Politik besuchte Veranstaltung moderierte. „Ein Neusser Nachwuchsschwimmer wird hier nicht Weltklasse. Er muss zum Bundesstützpunkt nach Essen.“ Damit brachte Keller ein Dilemma der Leistungssportreform auf den Punkt: Einerseits müssen talentierte Sportler zentral an Stützpunkten gefördert werden, um Spitzenleistungen und olympische Medaillen zu erreichen. Andererseits fehlt einem Sportverein mit dem Abgang eines Aushängeschilds die Identifikationsfigur, an der sich junge Talente orientieren. „Die Vereine fragen zu Recht: Lohnt sich die Förderung des Leistungssport, wenn große Talente ohnehin zu den Stützpunkten abwandern?“, bemerkte Michael Scharf.

Auch die Förderung guter Trainer, ohne die keine Spitzenleistungen möglich seien, bemerkte Olaf Kawald, Fecht-Koordinator des TSV Bayer Dormagen: „Vor 30 Jahren hatten wir bestbezahlte Trainer mit langfristigen Verträgen.“ Heute sehe das anders aus: „Niedriges Gehaltsniveau, Einjahresverträge, eine 60-Stunden-Woche und 35 Wochenenden auf Reisen machen den Job nicht gerade attraktiv und haben eine Abwanderung der Besten ins Ausland zur Folge“, so Kawald. Jedoch sei der Rhein-Kreis hinsichtlich der Zukunft des Leistungssports auf einem guten Weg, bemerkte Volker Staufert, Vorstandsmitglied in der Sportstiftung NRW. „Hier gibt es Strukturen, die in anderen Städten nicht vorhanden sind.“

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