Neuss Ein Spielplatz für Demenzpatienten

Neuss · Im St.-Augustinus-Memory-Zentrum gibt es insgesamt sieben Rückzugs- und Erlebnisbereiche für die demenzkranken Bewohner. Design-Studenten der Hochschule Düsseldorf haben sie gestaltet. Weitere Kabinette sollen dazukommen.

 Steffen Preuß (r.) gestaltete zusammen mit einer Kommilitonin das Waldkabinett im Rahmen des Seminars von Ton van der Laaken.

Steffen Preuß (r.) gestaltete zusammen mit einer Kommilitonin das Waldkabinett im Rahmen des Seminars von Ton van der Laaken.

Foto: Andreas Woitschützke

Ein Wald mitten im St.-Augustinus-Memory-Zentrum: Die Holzbank eröffnet den Blick auf die Illustrationen an den Wänden. An der Decke wuchern Äste und Blätter. Kleine Holzstämme bedeckt mit Kunstmoos stehen auf dem Boden. Dieser kleine Bereich ist einer von insgesamt sieben sogenannten Kabinetten im Demenzzentrum. Gestaltet wurden sie im Rahmen eines Seminars von Design-Studenten der Hochschule Düsseldorf.

Die insgesamt sieben Kabinette sollen die demenzkranken Bewohner des Zentrums ansprechen, zum Spielen animieren oder ihnen Erholung bieten. "Das Waldkabinett soll eine Ruhe-Oase für die Bewohner sein", erklärt Steffen Preuß. Der Absolvent des Kommunikationsdesign-Studiengangs der Hochschule Düsseldorf hat das Kabinett zusammen mit der Masterstudentin Amelie Ritter, die mittlerweile auch als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Memory-Zentrum arbeitet, gestaltet. Es ist sein zweites Kabinett. Das erste aus dem Jahr 2015 beschäftigt sich mit dem Thema Fußball. Die Demenzkranken können in dem Kabinett Tischkicker spielen - angepasst an die Bedürfnisse der Bewohner. "Wir haben gemerkt, dass es ihnen schwer fiel, zu erkennen, welche Griffe zu ihrer Mannschaft gehören", erklärt der 27-Jährige. "Deshalb haben wir dann zum Beispiel die Griffe für die grüne Mannschaft mit grünem Klebeband beklebt." Auch die Höhe des Kickertisches musste angepasst werden.

All diese Verbesserungen konnte Preuß vornehmen, weil er sein Kabinett selbst mit den Bewohnern bei einem Kickerturnier testete, aber auch durch die Hilfe von Elisabeth von der Heiden. Die 23-Jährige macht momentan ihr Praxissemester im Memory-Zentrum. Sie studiert Soziale Arbeit an der Hochschule Düsseldorf und in der Einrichtung hat sie nun die Aufgabe, Angebote in den Kabinetten zu gestalten. Im Urlaubskabinett sitzt sie mit den Demenzpatienten zum Beispiel zusammen in dem Tretboot, das dort aufgestellt ist. "Da können einige Bewohner fleißig treten - das glaubt man gar nicht", sagt sie. "Bei einigen werden dann Erinnerungen von früher wach und sie entspannen sich." Steffen Preuß hielt die Entwicklung seiner Kabinette, aber auch deren Auswirkungen auf die Bewohner in seiner Bachelorarbeit fest. Momentan arbeitet er gerade an dem Konzept für ein Jahrmarkt-Kabinett. "Essensgeruch aktiviert Demenzkranke. Und auf dem Jahrmarkt gibt es ja so viele Gerüche - zum Beispiel riecht es nach Popcorn", sagt Preuß. Im Wintersemester will er mit dem Design-Masterstudium beginnen und sich ganz auf gestalterische Lösungen für das Umfeld von Demenzpatienten spezialisieren. "Das ist ein Bereich mit Perspektive", sagt Preuß, dessen Großmutter an Demenz leidet. Vor sechs Jahren wurde die Krankheit bei ihr erkannt. "Sie ist dann auch schnell in ein Pflegeheim gekommen. Das war gut, aber als Gestalter sieht man Dinge, die anders umgesetzt werden können", sagt er.

Preuß entschied sich, den Kurs von Ton van der Laaken zu besuchen. Seit 2012 bietet dieser an der Hochschule Seminare an, die sich mit der Gestaltung von Räumen für Demenzkranke beschäftigen. "Damals war Demenz noch kein Thema im Bereich Design. Jetzt kommt es so langsam auf", sagt van der Laaken. "Ich habe mit zehn Studenten gerechnet. Es kamen dann 45. Viele haben aufgrund von Demenzerkrankungen in der Familie einen Bezug zu dem Thema." Literatur sei über diesen Bereich aber noch nicht vorhanden. "Es gibt keine gestalterischen Grundlagen. Wir halten unsere Ergebnisse fest, damit nicht jeder wieder bei Null anfangen muss", sagt Preuß.

Das Memory-Zentrum ist die einzige Einrichtung, die nicht nur Interesse bekundete, sondern nun auch über die Kabinette verfügt. Andere Einrichtungen sprangen wieder ab. Leiterin Andrea Kuckert-Wöstheinrich erfuhr von dem Projekt bei einem Vortrag von van der Laaken. "Die Studenten haben die Bereiche gestaltet und wir haben geguckt, ob das zu den Sturz-, Brand- und Hygienevorschriften passt", sagt sie. Gleich zur Eröffnung des Zentrums im März 2015 gab es auch die ersten Kabinette. "Solche Forschungsprojekte sind super. Sie sind nämlich nicht für die Schublade."

(eler)
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