Neuss Ein Roman in Bildern

Neuss · Für ihre Ausstellung "Kunstbouquet" malte Dzana Wallmeier-Vajraca Szenen aus dem Roman "Die Brücke über die Drina". In Bildern, Musik und einer Lesung erzählt sie die Geschichte eines Bauwerks zwischen Abendland und Orient.

 Dzana Wallmeier-Vajraca und zwei ihrer Werke im Saal des Atelierhauses. Zwei Jahre lang arbeitete sie an den großflächigen Bildern.

Dzana Wallmeier-Vajraca und zwei ihrer Werke im Saal des Atelierhauses. Zwei Jahre lang arbeitete sie an den großflächigen Bildern.

Foto: Lothar Berns

Ängstlich schauen die Menschen auf das Grauen, das sich ihnen bietet. An der Ballustrade der Brücke steht ein Pfahl; ein Mann ist darauf aufgespießt. Er war gegen den Bau der Brücke. Nur ein paar Schritte weiter springt eine Frau im schwarzen Kleid mit weit ausgebreiteten Armen in den tosenden Fluss. Dreht man sich um, ist von den düsteren Szene nichts mehr zu sehen. Ein lächelnder Zigeuner sitzt auf der Brücke; er wirkt zufrieden.

"Es gibt so viele tragische und fröhliche Geschichten, die ich zeigen wollte", sagt Dzana Wallmeier-Vajraca und blickt auf die Bilder, die im Neusser Atelierhaus hängen. Der Gepfählte, der Zigeuner, die verzweifelte Frau — all das sind Episoden aus dem Roman "Die Brücke über die Drina", für den der bosnische Autor Ivo Andric den Literaturnobelpreis erhielt.

Ein künstlerisches Experiment

Er erzählt darin die Geschichte einer Brücke, die im 16. Jahrhundert von den Osmanen an der Grenze zwischen Serbien und Bosnien erbaut wurde. Lange trennt und verbindet sie die christliche und islamische Welt. Der Glanz und Fall des osmanischen Reichs, Legenden, Schicksale, die Österreichisch-Ungarische Herrschaft, Alltagsszenen — bis zur Zerstörung der Brücke im Jahr 1914 hat Andric in seinem Roman rund fünf Jahrhunderte Geschichte verarbeitet.

Dzana Wallmeier-Vajraca, 1967 im bosnischen Banja Luka geboren, hatte dieses Buch beinahe vergessen. Zum ersten Mal las sie es in der Schule — und empfand es damals als lästige Pflichtlektüre. Als sie den Roman jedoch vor einigen Jahren wieder zur Hand nahm, habe er die Augen für ihre Herkunft geöffnet, sagt sie. Sie begann, Szenen daraus mit Spachtelmasse, Pigment und Ölfarbe auf die Leinwand zu bringen. "

Es ist ein Zyklus", sagt die zierliche Frau, "ich habe gelesen, hatte ein Bild im Kopf und habe es gemalt." Einige Werke entstanden in ihrem Neusser Atelier, andere in der JVA Willich, wo die Sozialpädagogin mit Häftlingen in Kunstprojekten arbeitet. Nach zwei Jahren war sie fertig. Doch sie wollte mehr. Der Roman sollte lebendig werden — in allen Formen der Kunst.

Also holte sie sich Neusser und Düsseldorfer Künstler ins Boot. Entstanden ist "ein Experiment", wie sie sagt. Sechs Tage lang gibt es ein Programm zur Ausstellung. Sprecherin Franca Pilz liest Szenen aus dem Buch.

Die Opernsängerin Nadia Meroni und der Jazzgitarrist Philipp van Endert spielen Volkslieder, die die Stimmung im Buch widerspiegeln. "Es soll alles zueinander passen", sagt Dzana Wallmeier-Vajraca und hofft, dass besonders Schüler sich mit dem Projekt befassen. Zum Programm im Atelierhaus haben sie deshalb freien Eintritt.

(NGZ)
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