Neuss Ein politisches Talent tritt ab

Neuss · Tim Köhn war Vorsitzender der FDP im Rhein-Kreis und liberaler Hoffnungsträger. In der Neusser FDP-Ratsfraktion scheiterte er und wechselte zur CDU. Die hat er inzwischen wieder verlassen. Mit 41 Jahren ist er ein Ex-Politiker.

 Politik war gestern, Privatleben und Beruf bestimmen heute seinen Tagesrhythmus: Tim Köhn genießt seinen Garten in Reuschenberg.

Politik war gestern, Privatleben und Beruf bestimmen heute seinen Tagesrhythmus: Tim Köhn genießt seinen Garten in Reuschenberg.

Foto: Berns

Im Grunde ist es tragisch. Er will die CDU nicht, und die FDP will ihn nicht (mehr). Nahezu geräuschlos trat ein großes Talent von der politischen Bühne ab. Es ist das Ende einer Karriere, die noch nicht richtig begonnen hatte. Und das im Alter von gerade einmal 40 Jahren. Dabei fehlen in dieser Generation allen Parteien die Hoffnungsträger. "Familie und Beruf haben Vorrang", sagt Tim Köhn (41). Eine "aktive Rückkehr" in die Politik mag er zwar nicht ausschließen, sie sei aber nicht geplant: "Gesellschaftliches Engagement ist auch außerhalb politischer Parteien möglich."

Tim Köhn lebt mit seinem langjährigen Freund, mit dem er im Sommer 2008 vor dem Standesbeamten eine eingetragene Lebenspartnerschaft einging, in Reuschenberg. Als Personalberater reist er für ein großes, internationales Unternehmen durch Deutschland, im Feriendomizil an der Ostsee genießt er seine Freizeit, und im Grenadierzug "Quiri'Nüsser" hat er seine persönlichen Freunde. Das zurückgezogene Leben abseits von Politik und Öffentlichkeit gefällt ihm gut: "Jeder ist letztlich seines Glückes Schmied."

Das hörte sich einmal ganz anders an. Tim Köhn gab den Jungen Liberalen hierzulande Stimme und Gesicht. Er brachte es zum Bezirksvorsitzenden und stieg auch bei der Mutterpartei auf, wurde zum Chef der Kreis-FDP gewählt. Doch im Stadtverband Neuss wurde sein Vormarsch gestoppt. An den mächtigen Platzhirschen um Heide Broll, Achim Rohde und Heinrich Köppen biss sich der junge Aufsteiger die Zähne aus. Gemeinsam mit den FDP-Urgesteinen — allesamt über 70 Jahre alt — saß er nach der Kommunalwahl 2004 in der FDP-Ratsfraktion — und konnte offenbar nichts bewegen.

Köhn resignierte und ging. 2005 nahm er seinen FDP-Sitz mit und wechselte zur CDU-Ratsfraktion. Ein Schritt, der ihn bis heute nicht loslässt. "Für Tim Köhn ist der Weg zurück in die FDP ausgeschlossen", sagt Bijan Djir-Sarai (32). Dabei ist sein Nachfolger als Vorsitzender der Kreis-FDP durchaus ein politischer Freund von Köhn: "Wir haben all' die Jahre gut zusammengearbeitet." Gleichwohl lehnte der von ihm geführte Kreisvorstand jetzt einen Aufnahmeantrag Köhns kategorisch ab: "Er ist 2005 zur CDU gegangen und nahm seinen Ratssitz mit, den er über die FDP-Liste erhalten hatte. Das ist unverzeihlich."

Zuvor war Köhn ("Ich bin durch und durch bürgerlich") aus der CDU wieder ausgetreten, ohne dass er in der Union richtig heimisch geworden war. "Ich bedaure das", sagt der Neusser CDU-Chef Jörg Geerlings, "aber er hat auch leider nicht das Gespräch gesucht." Tim Köhn mag das Ende seiner politischen Laufbahn nicht kommentieren, blickt nicht zurück im Zorn. "Ich möchte meine Ruhe", sagt er, "und die habe ich gefunden".

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort