Neuss Ein Kabinett für Otto Pankok

Neuss · Das Clemens-Sels-Museum hat dem Künstler Otto Pankok ein eigenes Kabinett in der ersten Etage eingerichtet. Die Ausstellung zeigt vor allem seine Menschenporträts. Darunter ist auch eine noch nie ausgestellte Schenkung mit einem Holzschnitt vom russischen Dichter Tolstoi.

 Rainer Scharenberg lauscht seiner eigenen Stimme – der RLT-Schauspieler hat die von Uta Husmeier-Schirlitz ausgesuchten Texte von und über Pankok für die Hörstation aufgenommen.

Rainer Scharenberg lauscht seiner eigenen Stimme – der RLT-Schauspieler hat die von Uta Husmeier-Schirlitz ausgesuchten Texte von und über Pankok für die Hörstation aufgenommen.

Foto: Lothar Berns

Welches von den zehn Geboten für den Maler Otto Pankok das wichtigste war, lässt sich schwer sagen. Gearbeitet hat er nach allen. Nach dem fünften zum Beispiel: "Du sollst nur deinen Träumen trauen." Oder nach dem sechsten: "Du sollst deine guten Bilder nicht anbeten." Oder nach dem neunten: "Du sollst kraß ablehnen, was dir nicht passt, und wäre es Rembrandt oder Chagall." Dabei war es gerade Rembrandt, den schon der junge Pankok verehrte. Der ihn gleichermaßen inspirierte wie sein anderes großes Vorbild – van Gogh.

 1942 entstanden: Pankoks Holzschnitt von Tolstoi.

1942 entstanden: Pankoks Holzschnitt von Tolstoi.

Foto: CSM

Und dennoch hat der 1966 in Wesel gestorbene Künstler seine eigene Handschrift gefunden, die jedes seiner Bilder unverkennbar macht – egal, ob es mit seinem Lieblingswerkzeug Kohle gezeichnet oder im Holzschnitt entstanden ist. Dass er damit dann doch ein bisschen gegen eines seiner Gebote, nämlich gegen das vierte: "Du sollst dich vor dem persönlichen Stil hüten", verstoßen hat, ist aus Sicht der Nachwelt ein Glück.

Affinität zur Literatur

So kommt der Betrachter nämlich in den Genuss seiner immer von einer tiefen Menschlichkeit geprägten Arbeiten, wie sie nun im Clemens-Sels-Museum in einem eigenen Pankok-Kabinett im ersten Stock zusammengestellt sind. Das Haus kann dabei nicht nur aus dem Vollen des eigenen Bestandes schöpfen, sondern zeigt zum ersten Mal auch einen neuen Schatz: ein Bildnis des russischen Dichters Lew Tolstoi von 1942. Ein ungewöhnlicher Abzug auf Japanpapier von einem Holzschnitt, von dem insgesamt nur sieben Abzüge existieren, der dem Museum von der Neusser Familie Juszczak geschenkt wurde.

Doch wie schon zuvor bei Max Ernst in diesem Raum geht es nicht nur um das Zeigen von Kunst, sondern um eine Präsentation dessen, was den Künstler und seine Arbeit ausmacht, was ihn geprägt hat. Pankok hatte zeit seines Lebens eine große Affinität zur Literatur, hat "imaginäre Bildnisse", wie er selbst sagte, von großen Schriftstellern wie Dostojewski und eben Tolstoi gemacht, weil er in ihren Romanen wiederfand, was ihn seit dem Dritten Reich umtrieb: die Frage nach Krieg und Frieden, nach dem Ausgrenzen und Ausgestoßensein. Pankok hat gerne auch selbst geschrieben – und ein Märchen illustriert, das für europäische Augen und Ohren so fremd anmutet wie faszinierend ist: "Die Räuber vom Liang Schan Moor". Wie er selbst sich sah, seine Arbeit und sein Leben betrachtete, lässt sich über die Hörstation nachvollziehen. Der RLT-Schauspieler Rainer Scharenberg hat wohltuend sachlich und zurückhaltend Autobiographisches eingelesen.

Eine Auswahl von Büchern der von Pankok porträtierten Literaten – darunter auch der Neusser Gabriel Pfeil ("Der weiße Reiter") – komplettiert die kleine, aber exquisite Schau.

(NGZ)
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