Allerheiligen Ein junges Stück Neuss

Allerheiligen · Das verschlafene Dorf wurde wachgeküsst. Große Neubaugebiete lassen Allerheiligen seit den 1990er Jahren wachsen, geben dem Stadtteil im Süden ein junges Gesicht. Einwohner freuen sich über die moderne Infrastruktur.

 Die PEKIP-Gruppe ist einer der Treffpunkte für junge Mütter und Väter im Stadtteil. Sie beklagen, dass der Weg zum Kinderarzt zu weit sei.

Die PEKIP-Gruppe ist einer der Treffpunkte für junge Mütter und Väter im Stadtteil. Sie beklagen, dass der Weg zum Kinderarzt zu weit sei.

Foto: Berns, Lothar

Kein anderer Stadtteil in Neuss hat in wenigen Jahren sein Gesicht so verändert wie Allerheiligen: In dem beschaulichen Dorf entstand ab Mitte der 1990er Jahre ein Neubaugebiet für rund 2500 Neubürger - weitere 2500 sollen im Bauabschnitt B in den kommenden Jahren folgen.

Wenn auch die Klagen darüber groß waren, dass die nötige Infrastruktur zu lange auf sich warten ließ, so überwiegt heute die Zufriedenheit mit dem Ergebnis: S-Bahn-Anschluss, Einkaufsmöglichkeiten und Sportanlagen sind Standortvorteile, die auch die Bewohner von Alt-Allerheiligen gern nutzen. Vor allem junge Familien fühlen sich in Neu-Allerheiligen wohl: "Mein Mann und ich kommen aus Düsseldorf und haben bewusst etwas Ruhiges gesucht", erzählt Karin Brakensiek (36). In Düsseldorf aufzuwachsen, sei für Kinder "nicht so toll". Hier höre sie im Sommer die Frösche quaken und lebe im Grünen: "Wir sind sehr zufrieden."

Ihr Sohn Ben, acht Monate alt, krabbelt gerade auf eine verlockende Kiste mit buntem Spielzeug zu. Karin Brakensiek hat sich wie viele anderen Eltern aus Allerheiligen mit ihrem Baby bei Hildegard Roos zum PEKiP-Kursus angemeldet. Dabei wird die positive Entwicklung der Kinder im ersten Lebensjahr gefördert - und nebenbei knüpfen Mütter und Väter Kontakt zu anderen Eltern. André Schirlitz (40) hat seine Frau im Erziehungsurlaub abgelöst und ist mit seinem Sohn Paul, acht Monate alt, ebenfalls zum PEKiP-Kursus gekommen.

Mit Paul und Anna, sechs Jahre alt, wohnen die Eltern an der Wilhelm-Lehmbruck-Straße: "Da ist es ruhig, die Kinder können draußen spielen", fasst André Schirlitz zusammen. Leider habe es mit der Grundschule für Allerheiligen nicht geklappt, bedauert der Vater. Aber er könne die Zurückhaltung bei den Anmeldungen verstehen: Dass die Kinder wie geplant zunächst zwei Jahre nach Rosellen in die Schule gehen und erst dann in die neue Einrichtung wechseln sollten, komme einem Schulwechsel gleich und bedeute für Grundschüler eine viel zu große Umstellung. "Wenn die Schule existiert, werden die Kinder auch dort angemeldet", so seine feste Überzeugung.

Viele der Mütter und Väter, die zu PEKiP-Leiterin Hildegard Roos kommen, vermissen in Allerheiligen darüber hinaus einen Kinderarzt. Die in den benachbarten Stadtteilen vorhandenen Praxen seien zu schlecht zu erreichen oder ausgelastet: "Wir fahren zum Kinderarzt nach Düsseldorf - aber für Familien ohne zweites Auto ist das nicht so einfach", so André Schirlitz. Rebekka Werner (31), die mit Tochter Marie (8 Monate) zum PEKiP gekommen ist und an der Heinrich-Campendonk-Straße lebt, wünscht sich mehr Betreuungsplätze für unter Zweijährige. Außerdem findet sie den Taxibus, der zum S-Bahn-Haltepunkt fährt, "sehr unpraktisch ": "Der nimmt ohne Anmeldung niemanden mit - auch wenn noch Platz ist." Mit Kind und Hund nutzt sie gern die Möglichkeiten, spazieren zu gehen: "Der Ort ist sehr familienfreundlich." Das liegt auch daran, dass Autofahrer nur über den Kreisverkehr an der August-Macke-Straße ins Baugebiet A fahren dürfen und es dort keinen Durchgangsverkehr gibt.

Mehrere Autokilometer und einen kurzen Fußweg entfernt lebt Karl Heinz Wollenhaupt (55) in Gier. Der Brudermeister der St.-Peter-Schützenbruderschaft Allerheiligen erinnert sich: "Als ich klein war, gab es hier reichlich Felder und Landwirtschaft, und wir Kinder sind im Norfbach geschwommen." Die Volksschule lag damals an der Neusser Landstraße am Standort des heutigen evangelischen Kindergartens, und die Albertus-Magnus-Straße sei "nur ein Trampelpfad" gewesen. "Urig und gemütlich" habe man es früher gehabt, so der Brudermeister, "außer dem Schützenfest gab es kaum Abwechslung im Ort". Josef Pesch (68) aus Alt-Allerheiligen erinnert sich gern an die "alten Zeiten", als Allerheiligen noch ein verschlafenes Dorf war.

Doch die Annehmlichkeiten der Gegenwart möchte Pesch nicht missen: "Die Infrastruktur ist hervorragend. Wer damit unzufrieden ist, dem ist nicht zu helfen."

(NGZ)
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