Neuss Ein Festivalleiter braucht Mut

Neuss · Romeo, Julia und all die anderen Pappfiguren aus dem Bühnenbild des Shakespeare-Festivals am Globe verschwinden wieder in der Requisitenkammer. Festivalleiter Rainer Wiertz kann jetzt ein bisschen Urlaub machen, zieht aber vorher noch Bilanz.

 Der Neusser Kulturreferent Rainer Wiertz leitet das Festival seit gut 20 Jahren.

Der Neusser Kulturreferent Rainer Wiertz leitet das Festival seit gut 20 Jahren.

Foto: Christoph Krey

Über vier Wochen lang gibt es Jahr für Jahr für den KulturreferentenRainer Wiertz nur Shakespeare. Die 22. Auflage des internationalen Theatertreffens im Globe ist gerade zu Ende gegangen, aber die nächste kommt bestimmt.

Herr Wiertz, 13 500 Zuschauer wurden bei den 33 Vorstellungen im Globe gezählt. Entspricht das Ihren Erwartungen?

Rainer Wiertz Damit bin ich sehr zufrieden. Selbst wenn wir im vergangenen Jahr knapp 500 mehr gehabt haben — gemessen an der Tatsache, dass wir in diesem Jahr viele Aufführungen in sehr fremden Sprachen wie Litauisch, Polnisch und Französisch gehabt haben, ist das ein hervorragendes Ergebnis.

Das spricht dafür, diese Richtung beizubehalten?

Wiertz Natürlich würde das Publikum nur so strömen, wenn wir nur die Blockbuster, also deutsch- und englischsprachige Inszenierungen, im Programm hätten. Aber den Charme des Festivals macht es doch aus, dass man auch mal andere Positionen und internationales Theater sieht.

Zum Beispiel so beeindruckende Überraschungen wie der HipHop-Othello der Q-Brothers aus Chicago?

Wiertz (lacht) Ja, dabei hatte ich nur Ausschnitte aus dem Stück gesehen, wusste aber sofort: Das wird was. Meine Partner im Shakespeare-Netzwerk waren skeptischer, haben sich nicht getraut, die Truppe zu engagieren, so dass wir die kontinentale Erstaufführung im Globe hatten. Jetzt sind alle total begeistert, und die Q-Brothers wurden sogar einen Monat lang nach Edingburgh eingeladen und geben dort 30 Vorstellungen! Das zeigt doch, dass man manchmal auch ein wenig mutig sein muss.

Stichwort Netzwerk: Sie haben viele Kooperationspartner für das Festival aufgetrieben. Ist das der Weg in die Zukunft?

Wiertz Natürlich war es ein Glück, zum Beispiel mit dem NRW-Festival Klopsztanga oder der EU zusammenarbeiten zu können. Auch werden wir künftig für internationale Produktionen Partner dieser Art brauchen. Aber wir werden nicht das ganze Gewicht darauf legen, sondern nach wie vor ist es uns sehr wichtig, gute deutschsprachigen Aufführungen dabei zu haben. Wir haben schließlich ein breites Publikum, das wir auch zur Zufriedenheit aller gerne bedienen möchten.

Äußerlich, in der Ausgestaltung der Wetthalle als Foyer, hat sich durch neue Bühnenbildner einiges verändert. Wie haben die Zuschauer darauf reagiert?

Wiertz Wir haben nur Positives gehört. Offensichtlich fühlen sich die Zuschauer bei uns sehr wohl, und ich bin jedes Mal wieder erstaunt, wie viele schon eine Stunde vor Vorstellungsbeginn zum Globe kommen, die Atmosphäre einfach nur genießen und gerne den Einführungen von Vanessa Schormann zuhören.

Das Festival finanziert sich ja zum großen Teil auch aus den Eintrittsgeldern und dem Erlös beim Catering.

Wiertz Ja, wir brauchen einen Hauptsponsor und die Freunde des Globe, aber auch die Einnahmen aus Kartenverkauf und Catering. Ich atme jedes Mal nach der Hälfte des Festivals durch, wenn wir den Break-Even-Point erreicht haben und die Zahlen stimmen. Denn wir haben viel zu verlieren, und bei Geldfragen hört bei vielen der Spaß auf. Aber auch jetzt werden wir voraussichtlich wieder mit plus minus null abschließen. Überhaupt ist es noch nicht vorgekommen, dass wir im Nachhinein um Zuschüsse bitten mussten.

Wenn trotz der Fußball-EM die Zahlen stimmen — ist das ein Signal für das Festival bei der WM 2014?

Wiertz Wir sind bei der WM vor sechs Jahren in die Ferien ausgewichen, und hatten ein doppeltes Problem. Viele Menschen waren im Urlaub, und die jungen Leute fehlten ganz, denn Schüler und Lehrer kommen in den Ferien nicht — was ganz besonders auch für unser Education-Programm sehr schade ist. Ich kann den Termin allerdings nicht in Eigenregie, sondern nur in Absprache mit anderen städtischen Ressorts festlegen, habe aber für 2014 den Wunsch geäußert, das Festival in der WM-Zeit veranstalten zu können.

Im nächsten Jahr aber sind Sie frei.

Wiertz Ja, da gibt es keinerlei Berührungen mit anderen Großereignissen. Derzeit gehen wir davon aus, dass das Shakespeare-Festival 2013 von Mitte Juni bis Mitte Juli stattfinden wird.

Helga Bittner führte das Gespräch.

(NGZ/rl)
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