Neuss Ein Busfahrer braucht starke Nerven
Neuss · Bundesweit haben Busfahrer den höchsten Krankenstand. Trotzdem seien Unfälle wie der vor zwei Wochen mit 21 Verletzten in Neuss selten, sagen die Stadtwerke. Das liege auch an guten Fahrern. Einer von ihnen ist Detlev Rohr, der schon rund 400 000 Kilometer im Dienst gefahren ist.
Am Zolltor steigt Detlev Rohr in den Bus. Doch er setzt sich nicht auf einen der blauen Sitze für Gäste, sondern auf den ganz vorne links — den Fahrersitz. Der 46-Jährige löst seinen Kollegen ab. Die nächsten sechs Stunden wird er einen Bus der Linie 854 durch Neuss fahren und für die Sicherheit seiner Fahrgäste verantwortlich sein. Dreimal in beide Richtungen. Seit 1995 arbeitet der gelernte Kfz-Mechaniker bei den Stadtwerken. Etwa 400 000 Kilometer hat er seitdem zurückgelegt. Umgerechnet ist er also mehr als zehn Mal um die Erde gefahren. Rohr kann alle Linien fahren, kennt Neuss wie seine Westentasche.
Gleich auf seiner ersten Tour stehen die Fahrgäste an diesem Tag dicht gedrängt im Bus. Viele meckern gleich beim Einsteigen darüber, dass der vorherige Bus heute ausgefallen sei. Rohr erkundigt sich über Funk in der Zentrale: Tatsächlich wird der Bus den ganzen Tag ausfallen. Sechs Stunden lang wird sein Bus doppelt so voll sein, werden die Leute beim Einsteigen schimpfen. "Viele wollen nur Dampf ablassen", sagt Rohr. "Am besten entschuldigt man sich kurz, alles andere macht es nur noch schlimmer." Neben grantigen Fahrgästen muss er sich noch auf den Verkehr konzentrieren. "Der Klassiker ist, dass mich Leute nicht einfahren lassen", sagt Rohr. "Voll auf die Bremse zu latschen ist aber gefährlich, wenn man über 100 Leute hinten drin hat."
Vor zwei Wochen verletzten sich bei einem Unfall 21 Fahrgäste. Rohr saß damals nicht am Steuer. Ihm ist ein ähnlicher Unfall bisher nicht passiert. Überhaupt sei so etwas selten, sagt Stadtwerke-Betriebsleiter Uwe Koppelmann. "Wir haben 200 Unfallmeldungen im Jahr, die meisten davon, weil eine Person hinfällt." Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass jährlich über 26 Millionen Fahrgäste in Stadtwerke-Busse einsteigen. Überhaupt würden die Unfallzahlen stetig sinken, sagt Koppelmann. Das liege an "guter Technik und guten Fahrern".
Doch deren Arbeit ist anstrengend. Sechs Stunden konzentrierte Fahrt fordern ihren Tribut. Vor allem, wenn die Straße — wie auf der Furth — kaum breiter als der Bus ist. Unter Busfahrern herrscht laut aktueller Zahlen der Allianz-Versicherung deutschlandweit einer der höchsten Krankenstände aller Berufe. Um dem vorzubeugen gilt für die Stadtwerke-Fahrer eine 39-Stunden-Woche, mindestens zehn Stunden Pause sind einzuhalten. Ein Fahrer darf nicht länger als sechs Tage am Stück arbeiten. "Es sind eigentlich immer nur fünf am Stück", sagt Detlev Rohr.
Und neben allem Stress weiß er auch um die schönen Seiten seines Jobs: Wenn Fahrgäste einsteigen und ihn freundlich grüßen oder wenn Technik-Fans sich für den Bus-Motor interessieren. Die größten Fans sind laut Rohr aber andere: "Spaß macht es, wenn Kinder mir über die Schulter schauen und ich ihnen erkläre, was ich mache."