Neuss Ein blindes Sich-Verstehen

Neuss · Kein Platz blieb frei, als Julia Fischer (Violine) und Milana Chernyavska (Klavier) im Zeughaus spielten

 Sie sorgte für ein ausverkauftes Zeughaus-Konzert: die aus München stammende, 25-jährige Violinistin Julia Fischer.

Sie sorgte für ein ausverkauftes Zeughaus-Konzert: die aus München stammende, 25-jährige Violinistin Julia Fischer.

Foto: NGZ

Kein Platz blieb frei, als Julia Fischer (Violine) und Milana Chernyavska (Klavier) im Zeughaus spielten

Neuss Das Zeughaus, die "gute Stube" der Stadt Neuss, muss vergrößert werden. Jedenfalls dann, wenn erneut die Stargeigerin Julia Fischer dort spielt. Kein Platz war beim letzten Zeughauskonzert frei, sodass Mitglieder der Deutsche Kammerakademie Neuss ihre große Kollegin nur als Zaungäste bewundern konnten.

Genau als Mitglied dieses Stipendiatenorchesters hatte Julia Fischer einst Neuss und hatten die Neusser sie kennen gelernt. Das Wiederhören war ein triumphaler Abend, zu dem in gleichem Maße Milana Chernyavska am Flügel beitrug.

Zunächst schienen beide Ausnahme-Künstlerinnen sich auf die Atmosphäre einstimmen zu wollen: Bei aller Perfektion wurde die "Sonate für Violine und Klavier C-Dur" (KV 296) von Wolfgang Amadeus Mozart fast ein wenig seelenlos musiziert und verbreitete trotz temperamentvollem Final-Rondo gepflegte Betulichkeit.

Welch erregende Spannung erzeugten dagegen bereits die ersten Takte der "Sonate für Violine und Klavier Nr. 1 f-Moll" von Sergej Prokofjew, die der legendäre David Oistrach zusammen mit Lew Oborin 1946 in Moskau uraufführte. Anklänge an russische Folklore intoniert die Violine fast schwermütig.

Gestalterisch stark gelangen Julia Fischer die gedämpften Läufe und bestimmenden Pizzicati zu ruhig voranschreitenden Klavierakkorden, der Satz endet in faszinierender Verhaltenheit.

In krassem Gegensatz dazu bricht der zweite Satz ungestüm wild herein, gibt im Mittelteil aber einer folkloristisch gefärbten "Poco più tranquillo"-Melodie Raum. Genau diese Sequenz kehrt sehr effektvoll nochmals nach einem Andante in romantischem Tonfall als Ruhepol im ansonsten schnellen und komplizierten Finale wieder.

Dem russischen Zar Alexander I. widmete Ludwig van Beethoven im Jahr 1802 seine Sonaten für Violine und Klavier op. 30, von denen die dritte in G-Dur ein besonders oft gespieltes Meisterstück ist.

Die Schönheit und Brillanz, mit der Julia Fischer und Milana Chernyavska das Werk ausstatteten, hatte allerdings Seltenheitswert. Da konnte man auch die wunderbare Violine, von Giovanni Battista Guadagnini im Jahre 1742 gebaut, trotz gelegentlich zu präsenten Klavierparts richtig genießen.

Für viele Zuhörer der Höhepunkt aber war das fulminante Feuerwerk farbenreicher Stimmungen, das der Tscheche Bohuslav Martinu als "Sonate für Violine und Klavier Nr. 3" (1944) kreierte.

Bei blindem Sich-Verstehen feierten beide Künstlerinnen mit Vitalität und expressiver Ausdruckskraft einen auch technisch makellosen Triumph. Ein Aufschrei im Publikum und Jubelstürme lösten die Spannung. Empfehlenswertes

Info

Der Live-Mitschnitt des WDR 3 wird am 26. Dezember um 20.05 Uhr gesendet.

(NGZ)
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