Neuss Ein anderes Hörerlebnis: Jazz mit Computer, Gitarre und Stimme

Neuss · "Und nun zu etwas völlig anderem (and now something completely different)" sagt der Ansager zu Beginn jeder Folge von Monty Pythons Flying Circus. Hätte es einen Ansager gegeben, er hätte das Gleiche getrost zum Auftakt des dritten Konzertabends der "Blue in Green"-Reihe in der Alten Post sagen können. Denn dieser Mittwochabend war "completely different" zu allem, was Philipp van Endert bislang in dieser Reihe präsentiert hat.

 Interpretierte den Jazz vokal: Sängerin Esther Berlansky.

Interpretierte den Jazz vokal: Sängerin Esther Berlansky.

Foto: rick

Entsprechend rar machte sich das übliche Neusser Jazzpublikum, dessen größten Teil man spätestens nach zwei Konzerten kennt. Schade. Denn so blieb ihm ein wahrhaft "anderes" Hörerlebnis verwehrt. Eines, an das sich das Ohr zugegebenermaßen erst gewöhnen muss. Doch wer mit "Tangerine Dream" (die Älteren unter den Lesern werden sich erinnern) aufgewachsen ist, der brachte diesen Assimilationsprozess vergleichsweise schnell hinter sich.

Andreas Kolinski, der ansonsten beim Düsseldorfer Label Jazzsick-Records die Regler bedient, und Michael Scheibenreiter, der kürzlich einen Soundtrack für die ARD-Serie "Polizeinotruf 110" komponierte und produzierte, zaubern mit Tasten, Knöpfen und Computern einen fulminanten Klangteppich. In den hinein webt Philipp van Endert seinen typischen Gitarrensound. Was ihm umso leichter fällt, als die Stücke alle aus seiner Feder stammen. Wer genau hinhört, erkennt bei "So close" oder "Kurt's Song" die Originale durchaus heraus - weshalb das ganze Unternehmen auch den Untertitel "Jazzsick remixed" trägt. "Ich staune manchmal selbst, was die beiden da machen", sagt Philipp van Endert in der Pause.

Deren Ende wiederum einen Ansager hätte gebrauchen können. Denn was danach kam, war erneut "completely different". Der Klangteppich, den Kolinski und Scheibenreiter nun weben, wirkt filigraner, sphärischer. Und passt damit perfekt zu dem, wie Esther Berlansky vokalen Jazz interpretiert. Vielleicht ist es gut, dass sie die meisten Stücke auf Ungarisch singt - so kommt man gar nicht in die Versuchung, irgendetwas verstehen zu wollen. Sondern lauscht allein dem Zusammenspiel zwischen menschlicher Stimme und künstlicher Begleitung. Zu dem sich bei der - leider - einzigen Zugabe Philipp van Enderts Gitarre als zweites "reales" Element gesellt: "Reguengo", von seinem Album "Rosebud", bedeutet die Quintessenz dieses Abends, an dem Handwerk (Gitarre), Mundwerk (Gesang) und Technik sich nicht bloß ergänzen, sondern eine hör- und fühlbare Einheit bilden.

"Anders sein" ist da nicht bloß ein Slogan, sondern eine Bereicherung. Oder um es mit Monty Python zu sagen: "And now something completely different."

(NGZ)
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