Kommentar zum Teilfreispruch in Düsseldorf Der Terrorprozess gegen Saleh A. ist eine juristische Posse

Düsseldorf · Das Düsseldorfer Oberlandesgericht hat den Syrer Saleh A. von dem Vorwurf freigesprochen, 2016 ein Attentat für den IS in der Düsseldorfer Altstadt geplant zu haben. Dennoch muss er viele Jahre hinter Gitter. Was absurd wirkt, ist juristisch folgerichtig.

Prozess wegen geplantem IS-Attentat in Düsseldorf beginnt
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Foto: dpa, mku axs

Das Düsseldorfer Oberlandesgericht ist überzeugt, dass der syrische IS-Kämpfer Saleh A. (30) sich die Anschlagspläne für die Düsseldorfer Altstadt nur ausgedacht hat. Das verkündete der Vorsitzende Richter Winfried van der Grinten am Mittwoch in seinem Urteil - und sprach A. daher in den Hauptanklagepunkten frei. Die Anklage hatte ihm und zwei weiteren Angeklagten zum Prozessbeginn im Juli 2017 vorgeworfen, einen Sprengstoffanschlag in der Düsseldorfer Altstadt geplant zu haben, dem möglichst viele Menschen zum Opfer hätten fallen sollen.

Dass er dafür nicht verurteilt werden würde, hat sich bereits vor Monaten abgezeichnet, als der Angeklagte erst nacheinander seine beiden Mitangeklagten entlastete und schließlich die Pläne selber widerrief. Damit wurde das Verfahren zu einer juristischen Posse. Auch nach dem Urteil am Mittwoch bleiben noch viele Fragen offen. Die Größte und Wichtigste lautet: Wieso ist der Fall Saleh A. - was die angeblichen Anschlagspläne betrifft - überhaupt vor Gericht gelandet?

Denn die Anklageschrift basierte - das wurde bereits in den ersten Verhandlungstagen klar - im Wesentlichen auf den Aussagen von Saleh A. selbst. Dieser hatte sich im Februar 2016 der französischen Polizei in Paris gestellt und die angeblichen Anschlagspläne offenbart. Wie sich im Verfahren herausstellte, tat er das nur, weil er sich eine Belohnung davon erhoffte: A. wollte einen Aufenthaltstitel und den Nachzug seiner Ehefrau und seiner Tochter erreichen. Sein Verhalten ist das eines Opportunisten, der sich gehörig verrechnet hat. Denn die deutschen und französischen Strafverfolgungsbehörden steckten ihn ins Gefängnis. Seit dem 1. Februar 2016 sitzt Saleh A. ununterbrochen in U-Haft - erst in Frankreich, dann in Deutschland.

Schon an den ersten Verhandlungstagen stellte die damalige Vorsitzende Richterin Barbara Havliza durch hartnäckiges Nachfragen fest, dass Saleh A.s Aussagen sich widersprachen. Warum haben die über ein Jahr dauernden Ermittlungen vor Prozessbeginn nicht schon eher ergeben, dass die Anschlagspläne ein reines Hirngespinst waren? Sicher, in Zeiten der scheinbar allumfassenden terroristischen Bedrohung müssen Ermittler jedem noch so kleinen Hinweis nachgehen. Ein fast ein Jahr dauerndes Gerichtsverfahren mit mehreren Gutachtern, Dolmetschern, Pflichtverteidigern, Richtern und Bundesanwälten bindet jedoch enorme Ressourcen. Nicht zu schweigen von der Lebenszeit der beiden zu Unrecht beschuldigten Mitangeklagten, die ebenfalls mehrere Monate in U-Haft saßen.

Trotz des Teilfreispruchs muss Saleh A. dennoch für sieben Jahre in Haft. Die Richter verurteilten ihn, weil er im syrischen Bürgerkrieg 2013 einen Soldaten der syrischen Armee erschossen hat, unerlaubt eine Kalaschnikow besaß und in mehreren islamistischen Kampfeinheiten - zuletzt im IS - mitgekämpft hat. Auch das hatte er vor Gericht eingeräumt. Die Richter konnten gar nicht anders, als ihn dafür schuldig zu sprechen.

Es bleibt das Bild eines Mannes, der in den Bürgerkrieg hineinwuchs, wie es der Richter ausgedrückte. Der als Kämpfer in mehreren islamistischen Milizen in die Verwicklungen eines Bürgerkriegs geriet, deren Folgen er nie absehen konnte. Sein Plan, sich selbst einen Vorteil zu verschaffen, hat sich gegen ihn gewendet und sogar eine tragische Wendung genommen. A. muss in Haft, gilt in seinem Heimatland als Verräter, seine Frau starb im Bürgerkrieg. Die deutschen Richter haben ihn am Mittwoch im Wesentlichen deswegen verurteilt, weil er gegen das syrische Regime von Machthaber Baschar al-Assad gekämpft hat.

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