Neuss Dürfen wir noch Ferkes Freud haben?

Neuss · Wenn Fleisch, dann Rind oder Geflügel. Das Schwein wird aufs Schimpfwort reduziert. Doch dort, wo kein Schwein ist, gibt's auch kein Glücksschwein mehr.

 Schwein als Glücksbringer. Wie lange ist das noch politisch korrekt?

Schwein als Glücksbringer. Wie lange ist das noch politisch korrekt?

Foto: Woi

Die Sau ist los. Viele Schulen und Kitas haben Schweinefleisch von ihren Speiseplänen verbannt, weil es a) ungesund sein soll und b) von Muslimen nach religiösen Vorgaben nicht verzehrt werden darf. Das hält Landwirtschaftsminister Christian Schmidt von der CSU für eine Schweinerei und sagt, Freiheit fange auf dem Teller an. Jedes Kind müsse frei entscheiden, ob es Rind, Schaf, Geflügel, Fisch, Schwein oder gar kein Fleisch essen mag. Diese Form der Liberalität ferkelt wiederum den Obergrünen im Bundestag, Anton Hofreiter, derart an, dass er Schmidt vorwirft, eine absurde Debatte zu führen.

Wenn's ums Schwein geht, ist nur noch politisch korrekt, was aufs Schimpfwort reduziert wird: Dreckige Sau! So wird aus dem dummen Schwein ein armes Schwein. Denn seit der Mensch das (Wild-) Schwein vor mehr als 8000 Jahren domestizierte, war es dessen treuer Begleiter im Stall, der keineswegs dumm, sondern zumindest so intelligent wie ein Menschenaffe ist. Erst als der Mensch das Schwein zum unsichtbaren Fleischlieferanten in der Anonymität der Massentierhaltung degradierte, ging's bergab mit dem Schwein, mit dem nur noch wenige etwas zu tun haben wollen.

Dabei ist das Schwein ein enger Verwandter des Menschen. Zugegeben, man sieht es nicht auf den ersten Blick. Karl August Groskreutz hat es in seiner Schweinemensch-Anatomie "Der Schnauzenkuß" so formuliert: "Schweine sind horizontale Menschen" oder im Umkehrschluss "Menschen sind senkrechte Schweine". Da könnte was dran sein. 90 Prozent des Erbgutes stimmen überein. Diese Quote erreichen nur wenige Tiere, die Menschenaffen schaffen allerdings 98 Prozent. Weil Schweine den Menschen ähnlich sind, forschen Mediziner, ob sich die Tiere als Organspender für Menschen eignen. Noch steht die Infektionsgefahr davor, denn auf diesem Wege könnten gefährliche Viren auf den Menschen übertragen werden.

Nach 8000 Jahren als aktiver Bestandteil der Zivilisation gilt das Hausschwein nun als heißer Kandidat für die Rote Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere. Nur weil es so isst wie der Mensch: Pflanzen, Tiere, besser: tote Tiere. Dafür verstößt der eine Aas- und Allesfresser den vierbeinigen Verwandten.

Denken wir das Undenkbare. Wie sieht die Welt nach der Zeit des Schweins aus? Wird die Welt eine bessere sein? Denn der, der schweinischer als ein Schwein sein kann, der wird noch da sein: der Mensch. Wer das zu Ende denkt, der kommt ins Grübeln. Das ist doch ungerecht!

Wenn der Mensch das Schwein weiterhin so verteufelt, wie er es tut, dann trennt er sich von einem Teil seiner Kulturgeschichte. Den Chinesen fehlt bald ein Tierkreiszeichen; Antonius, der Einsiedler, den wir im Rheinland liebevoll Ferkes Tünn rufen, verliert seinen ständigen Begleiter. Bleibt die Frage aller Fragen: Dürfen wir eigentlich noch Ferkes Freud' haben? Ist Ferkes Freud' noch politisch korrekt?

Hat das Schwein auch als Glücksbringer ausgedient, könnte es in Hamburger Spielhallen Asyl finden. Dort ist Platz. Laut Spielhallengesetz mussten an der Elbe die Goldfische als Glückssymbol entfernt werden. Das wäre dann die Chance für verbannte Ex-Glücksschweine. Der Mensch ist einfach irre.

(-lue)
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