Aufarbeitung der NS-Zeit: Urnen in Wien beigesetzt Drei Neusser Kinder als Euthanasieopfer

Aufarbeitung der NS-Zeit: Urnen in Wien beigesetzt · Im Bereich der Gruppe 40 auf dem Wiener Zentralfriedhof, wo Opfer des Nationalsozialismus bestattet liegen, wurden jetzt 597 Urnen beigesetzt. Sie bergen die sterblichen Überreste der Kinder, die während der NS-Zeit in der ehemaligen Wiener Jugendfürsorgeanstalt "Am Spiegelgrund" beim heutigen Otto-Wagner-Spital getötet wurden. Unter ihnen waren auch drei Kinder aus Neuss. Auch drei Neusser Kinder kamen am Wiener Spiegelgrund zu Tode. Erst jetzt wurden dort die Urnen der Euthanasie-Opfer beigesetzt. Foto: privat -->

Im Bereich der Gruppe 40 auf dem Wiener Zentralfriedhof, wo Opfer des Nationalsozialismus bestattet liegen, wurden jetzt 597 Urnen beigesetzt. Sie bergen die sterblichen Überreste der Kinder, die während der NS-Zeit in der ehemaligen Wiener Jugendfürsorgeanstalt "Am Spiegelgrund" beim heutigen Otto-Wagner-Spital getötet wurden. Unter ihnen waren auch drei Kinder aus Neuss. Auch drei Neusser Kinder kamen am Wiener Spiegelgrund zu Tode. Erst jetzt wurden dort die Urnen der Euthanasie-Opfer beigesetzt. Foto: privat -->

Eines davon hieß Günter Fiedel. Der Junge wurde nur fünf Jahre alt. Er war dabei, als am 18. März 1943 in drei Transporten 144 Kinder vom Mönchengladbacher St.-Josef-Haus in die Wagner-von-Jauregg-Heil-und-Pflegeanstalt verlegt wurden. Es war die zweite Anstalt dieser Art, die der Junge kennen lernen musste, berichtet Johann Lötsch, der heute der Schwager des Getöteten wäre. Zuvor war Günter Fiedel in Oberhausen in Behandlung. Dorthin war er gebracht worden, weil er wegen Komplikationen bei der Geburt behindert war.

"Im Alter von vier Jahren konnte er weder reden noch laufen", berichtet Lötsch. Als Behinderter gehörte er zu den Menschen, denen die Nationalsozialisten das Recht auf Leben aberkannten. Sie wurden wie Geisteskranke, Angehörige sozialer Randgruppen und Unangepasste verfolgt, eingesperrt und der Vernichtung preisgegeben, erinnert Lötsch. Mit dem letzten Transport am 16. August 1943 wurden 228 behinderte Frauen und Mädchen aus den Alsterdorfer Anstalten Hamburg in die, so Lötsch, Tötungsanstalt "Am Steinhof" in Wien deportiert.

14 Mädchen, so weist der Neusser auf wissenschaftliche Dokumentationen hin, seien dort nach quälenden pseudowissenschaftlichen Untersuchungen in der Kinderfachabteilung umgekommen. Insgesamt verstarben 196 Alsterdorfer Frauen und Mädchen durch Hunger und Todesspritzen. Bei der Obduktion der Leichen wurden Gehirnteile und Rückenmarkproben entnommen, die sich bis zuletzt in der so genannten Gehirnkammer im Psychiatrischen Krankenhaus an der Baumgartner Höhe und dem renommierten Ludwig-Bolzmann-Institut in Wien befunden haben.

"Erst jetzt, 2002, kam es zur Bestattung dieser sterblichen Überreste bestehend aus Gehirnteilen und Rückenmarkproben von 597 Spiegelgrund-Opfern", erklärt Lötsch, der mit seiner Frau dieser Trauerfeier beiwohnte - 597 von rund 800 kranken und behinderten Kindern und Jugendlichen, die nachweislich "Am Spiegelgrund" zu Tode kamen.

(NGZ)
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