Neuss Die Wurzeln der Lyrik liegen in Hombroich

Neuss · Marcel Beyer wurde in Düsseldorf der mit 20.000 Euro dotierte Literaturpreis verleihen.

Der Lyriker, Erzähler und Essayist Marcel Beyer ist der unumstrittene 15. Träger des Düsseldorfer Literaturpreises und hat den mit 20.000 Euro ausgestattet Preis von der Kunst- und Kulturstiftung der Düsseldorfer Sparkasse jüngst in Empfang genommen. Gelobt wurde von der Jury sein politisches und historisches Interesse, sein hohes Reflexionsvermögen sowie seine Sprache, die scharfsinnig und akribisch genannt wird.

Marcel Beyer selbst versteht sich als ein "historisches Wesen" mit einer dementsprechend zeitgebundenen Perspektive. "Ich bewege mich entlang der Zeitgenossenschaft", sagt er, wobei er sich mit und in der Bewegung fortwährend auch selbst verändert. Seit 20 Jahren lebt der heute 50-Jährige in Dresden, geboren ist Marcel Beyer im baden-württembergischen Tailfingen, was den aus Ellwangen stammenden Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel schon auf eine Landsmannschaft hoffen ließ.

Dazu langt es aber doch nicht: Beyer wuchs in Kiel und in Neuss auf, wusste aber zu berichten, dass er in der NRW-Landeshauptstadt das Schwimmen wie auch das Autofahren erlernte. Im Grunde zwei Tätigkeiten, um bloß wegzukommen.

Nein, nein, so bitter ist ihm die frühere Heimat dann doch nicht gewesen. Und in seinem jüngsten Lyrikband, "Graphit", kehrt er dichtend gewissermaßen zu seinen Wurzeln zurück. Einer dieser Ankerplätze seiner Erinnerung ist die Raketenstation Hombroich in Neuss und dort die Begegnung mit dem im Alter von 47 Jahren verstorbenen Dichter Thomas Kling. Immer wieder taucht Neuss also auf, manchmal klein, so ein bisschen zwischen den Zeilen. Da ist von künstlichen Schneehängen die lyrische Rede, während draußen "ganzjährig Runkelrübenäckerweiten" das Bild bestimmen. Und der Schneemeister - mit Strickmütze und Daunenjacke - ist "eine Flachlandgestalt", ein "Mann mit Zungenschlag". Die Neusser Skihalle erscheint wie ein dankbares Opfer in den Augen des kritischen Geistes. Doch Marcel Beyer lacht und sagt: "Ich habe die Skihalle gern." Und weil man immer noch ungläubig schaut, ergänzt er: "Manchmal packt mich eine Begeisterung für bescheuerte Dinge."

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