Neusser Woche Zulauf Für Die Etablierten Parteien Die unverhoffte Chance, die es digital zu nutzen gilt

Neuss · CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen melden mehr Ein- als Austritte. Die Parteien sind gefordert, die Neuen einzubinden.

Es ist so etwas wie eine zweite Chance. Jahrelang kannte die Mitgliederentwicklung in den etablierten Parteien nur eine Richtung: abwärts. Nun - zumindest im vierten Quartal 2016 - die Trendwende: Erstmals melden CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen auch im Rhein-Kreis wieder mehr Ein- als Austritte. Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten vor Augen, den Aufstieg der AfD, die Flüchtlingsströme oder auch den Brexit, entscheiden sich offenbar mehr und mehr junge, aber auch ältere Semester der Generation 50plus, ihren Beobachterposten in der "außerparlamentarischen Opposition" aufzugeben und sich politisch einmischen wollen - und sie tun es richtigerweise dort, wo ihr Einfluss am größten ist: in den Parteien. Die sind durch das Grundgesetz legitimiert: "Die Parteien wirken an der politischen Willensbildung mit" heißt es in Artikel 21, 1.

Der Neusser Volkswirt mit Lehrstuhl in Wuppertal, Paul Welfens, hat Recht, wenn er die Teilhabe an der politischen Willensbildung in den Parteien als Gegenentwurf zur unverbindlichen Stimmungsmache im Internet sieht. Welfens hat auch in einem zweiten Punkt Recht. Jetzt stehen die Parteien in der Pflicht. Sie, die oft eine zu große Zurückhaltung der Bürger beklagen, müssen nun beweisen, dass sie bereit sind, die Neuen einzubinden und ihnen auch Gehör im Meinungsbildungsprozess zu ermöglichen - in Sitzungen mit persönlicher Präsenz, aber auch über neue Technologien in der digitalen Welt des Internets. Nur die Partei, die sich inhaltlich und technisch-strukturell für die Neuzugänge öffnet, wird letztlich von der unverhofften Chance auch profitieren.

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(NGZ)
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