Neuss Die Uhr fürs Rheinwerk tickt

Neuss · Hydro Aluminium will die Aluminium-Produktion im Neusser Rheinwerk schrittweise weiter bis auf Null zurückfahren. Nach einer Belegschaftsversammlung herrschte "dicke Luft" vorm Werkstor.

Hydro Aluminium will die Aluminium-Produktion im Neusser Rheinwerk schrittweise weiter bis auf Null zurückfahren. Nach einer Belegschaftsversammlung herrschte "dicke Luft" vorm Werkstor.

Neuss Die einen verschwinden still und stumm, die anderen lassen erst einmal Dampf ab: Rheinwerk, Werkstor, am Donnerstag Morgen nach der Belegschaftsversammlung, in der Hydro Aluminium angekündigt hatte, dass die Produktion in der Elektrolyse innerhalb von zwei Monaten notfalls auch bis auf Null zurückgefahren wird.

"Die werden schnell anfangen abzuschalten, wahrscheinlich schon nach einer Aufsichtsratssitzung am Mittwoch kommender Woche", Wienand Lersch steht mit seinen Kollegen vorm Werkstor und macht seinem Unmut Luft. Der Betriebsrat sei gedrängt worden, am besten unverzüglich mit der Unternehmensleitung über Kurzarbeit zu verhandeln: "Da haben wir gesagt: Jetzt mal langsam. Jetzt wird zunächst die Belegschaft informiert."

Danach herrschte erst einmal dicke Luft. 650 Beschäftigte im Werk und rund 150 einer ausgegliederten Instandhaltungsgesellschaft wissen nicht, ob sie in ein paar Monaten noch Arbeit haben.

"70 000 Euro muss ich noch abbezahlen", einer schwenkt wütend ein Bündel Kontoauszüge. Für Horst Berner, einen alten "Rheinwerker", der sich im Betriebsrat engagiert, kein Einzelfall: "Betroffen sind vor allem die jungen Leute. Viele haben Familie oder müssen Haus oder Wohnung abbezahlen."

Existenzangst geht um, das Wort von den "Nieten in Nadelstreifen" macht die Runde - und richtet sich nicht nur an die eigene Konzernführung, sondern auch an die Stromversorger und die Politik: "An unserer Situation haben alle eine Mitschuld", sagt Berner und meint Hydro Aluminium, seit 2005 ohne festen Stromlieferanten, die Energieversorger, die sich weigerten, dem Werk bei den Stromtarifen entgegenzukommen und die Politik, die Energie durch Kosten für den Umweltschutz - Stichwort Emissionhandel - für die Industrie zu teuer gemacht habe.

Betriebsratschef Günther Appelstiel ist denn auch "sehr skeptisch". Dass eine Rettung des Werks gelingt, wenn der Prozess des Abschaltens der Elektrolyse-Zellen bereits in vollem Gange ist, hält er für wenig wahrscheinlich.

Dennoch hofft er, auch über die Gießerei hinaus, die mit ihren rund 140 Beschäftigten auch künftig (eingekauftes) Metall umschmelzen, zu Walzbarren gießen und an AluNorf und das Hydro-Werk in Grevenbroich liefern soll, eine Restproduktion in der Elektrolyse erhalten zu können: "Das würde auch zeigen, dass Hydro wirklich ernsthaft erwägt, das Werk später wieder zu reaktivieren." Diese Hoffnung teilt der Betriebsrat mit Werksleiter Bernhard Eich: "Wenn wir wenigstens ein Drittel der Produktion halten könnten, würden wir nicht ins Bodenlose fallen."

Mehr zum Thema lesen Sie in der Freitagausgabe (6. Januar) der Neuß-Grevenbroicher Zeitung.

(NGZ)
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