Neuss Die SPD arbeitet an neuer Rats-Mehrheit

Neuss · Die Sitzverteilung im 68-köpfigen Stadtrat lässt keine klare Mehrheit erkennen, so dass mit langen Sondierungen zu rechnen ist. Nach Verlusten ist die Koalition von CDU und FDP nicht mehrheitsfähig. Die Grünen werden umworben.

 Hakan Temel (l.) und Heinrich Thiel (Bild Mitte) ließen die SPD jubeln. Sie gewannen als Newcomer zwei Direktmandate.

Hakan Temel (l.) und Heinrich Thiel (Bild Mitte) ließen die SPD jubeln. Sie gewannen als Newcomer zwei Direktmandate.

Foto: Christoph Kleinau

Am Tag eins nach der Wahl fielen gestern die ersten Entscheidungen. Reiner Breuer, Spitzenkandidat der SPD im Kommunalwahlkampf, kündigte am Abend dem Parteivorstand an, nach 15 Jahren nicht mehr für den Fraktionsvorsitz kandidieren zu wollen. "Die Zeiten von One-Man-Shows sind vorbei", sagte der Landtagsabgeordnete, der die Fraktion breiter aufgestellt sehen möchte - und den im Wahlkreis Weckhoven-West nur knapp geschlagenen Arno Jansen an ihrer Spitze. Breuer selbst interessiert sich für das Amt des stellvertretenden Bürgermeisters - vielleicht sogar des ersten in dieser Riege. Denn seit dem Wahlabend arbeitet die SPD daran, ein Bündnis jenseits der CDU zu schmieden.

Auch in anderen Parteigeschäftszimmern ging es gestern Abend geschäftig zu. Jörg Geerlings, Vorsitzender der erstmals seit ihrer Gründung unter die 40-Prozent-Marke gerutschten CDU in Neuss, stellte im Parteivorstand eine Mannschaft für die nun folgenden Verhandlungen zusammen, in der er auch die Fraktionsvorsitzende Helga Koenemann haben möchte. Geerlings selbst sah sich nach der Niederlage als Vorsitzender nicht unter Druck, Koenemann scheint als Fraktionsvorsitzende gesetzt. Bei den Grünen will sich Michael Klinkicht, der in seinem Wahlkreis Norf das beste Ergebnis eines Grünen bei einer Kommunalwahl errang, erneut für den Fraktionsvorsitz bewerben, bei der FDP allerdings ist die Vorsitzendenfrage offen. Spitzenkandidat Hermann-Josef Verfürth winkte ab, seiner Ansicht nach soll das jemand mit Ratserfahrung machen. Außer Heide Broll hat die nur noch Hans-Peter Fantini zu bieten.

Mit den Entscheidungen eng verknüpft ist die Frage künftiger Koalitionen. Die Grünen wollen "noch selbstbewusster" als 2009 in die Verhandlungen gehen, kündigte deren Sprecher Roland Kehl an. Sie könnten mit der CDU und dem CDU-Bürgermeister eine hauchdünne Mehrheit bilden und wären unerlässlich für den Traum der SPD von einer "Ampel plus". Das Ergebnis der Verhandlungen müsse stimmen, sagt Klinkicht, dessen Fraktion aber mit Zugeständnissen wie einer Verbraucherzentrale nicht mehr zu ködern ist. Vor fünf Jahren sei das ein Pfand gewesen, sagt Klinkicht. "jetzt kommt sie sowieso." Eine Mehrheit im Rat wäre jetzt dafür - auch ohne CDU und FDP.

Die SPD hat diesen Punkt schon einmal in ihr Sofortprogramm "100 Tage - 50 Taten" aufgenommen, mit dem sie in die Verhandlungen gehen will. Mit dem Vorschlag, die Arbeit von Rat und Verwaltung transparenter zu machen und kleinere Fraktionen in Aufsichts- und Verwaltungsräten zu beteiligen, glaubt Breuer, gebe es auch eine Basis mit Grünen, die zuerst umworben werden, und FDP. Letztere hielt sich bedeckt, beziehungsweise völlig offen. Eine "Ampel" ist für Spitzenkandidat Verfürth genauso vorstellbar wie eine Koalition von CDU, FDP und AfD oder eine Jamaika-Koalition (CDU, FDP, Grüne). Mit denen sieht nicht nur Bürgermeister Herbert Napp größte Schnittmengen, sondern auch Verfürth.

 Sie gewannen als Newcomer zwei Direktmandate. Bild rechts: Nach dem Jubel kündigt Roland Kehl (l.) sehr selbstbewusste Grüne an.

Sie gewannen als Newcomer zwei Direktmandate. Bild rechts: Nach dem Jubel kündigt Roland Kehl (l.) sehr selbstbewusste Grüne an.

Foto: Woitschützke, Andreas (woi)
 Jörg Geerlings(linkes Bild, Mitte) sieht sich nach der Niederlage der CDU als Vorsitzender nicht unter Druck.

Jörg Geerlings(linkes Bild, Mitte) sieht sich nach der Niederlage der CDU als Vorsitzender nicht unter Druck.

Foto: Woitschützke, Andreas (woi)
Neuss: Die SPD arbeitet an neuer Rats-Mehrheit
Foto: woi (2)/-nau
Neuss: Die SPD arbeitet an neuer Rats-Mehrheit
Foto: woi (2)/-nau

Wie die Verluste gerade der CDU, die 4,5 Prozent der Stimmen einbüßte, zu erklären sind, darüber rätselt Parteichef Geerling noch. Er ist überzeugt, dass sich die im Alleingang angemeldete Bürgermeisterkandidatur des Stadtverordneten Sebastian Rosen ebenso negativ ausgewirkt hat wie die "Halbmonddebatte" um türkische Symbole auf CDU-Wahlmaterialien. Wäre das im Land passiert, so urteilt SPD-Parteichef Benno Jakubassa über den Fall, hätten das Meinungsforschungsinstitute hinterfragt. So aber lässt auch diese Frage Fragen offen.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort