Kulturforum Alte Post in Neuss Die Schnur als Leitfaden

Kulturforum Alte Post in Neuss · Mit einer Gedächtnisausstellung zum 20. Todestag würdigt das "Kulturforum Alte Post" Künstler Gerhard Hoehme.

Wer die Gerhard-Hoehme-Ausstellung in der "Alten Post" besucht und das lichtdurchflutete Entree betritt, dem fällt zunächst ein Schriftzug an der Wand auf: "Die Schnur ist die plastische Form des Heraklit'schen Denkens". Es ist der Titel eines Manifests des Künstlers aus dem Jahr 1970, der hier im Duktus von Hoehmes Handschrift vergrößert auf die Wand aufgebracht wurde. Kulturdezernentin Dr. Christiane Zangs ist vom Konzept der Kuratorin Susanne Ristow begeistert: "In der Schrift sieht man förmlich die Schnur."

Und um die Schnur in den Arbeiten Gerhard Hoehmes, der von 1960 bis 1984 an der Düsseldorfer Kunstakademie lehrte und von 1974 bis zu seinem Tod 1989 in Neuss lebte, geht es in dieser ersten der vier Gedächtnisausstellungen, die aus Anlass von Hoehmes 20. Todestag in Neuss, Düsseldorf und Duisburg stattfinden. "Das Besondere an der Neusser Ausstellung", erklärt die Kuratorin, "ist ihre Intimität, das ganz Private." Kunstsammler Bongartz, der Hoehme Anfang der 70er Jahre als Sammler von Werken der "Gruppe 53" kennenlernte, kann zu jeder der 41 ausgestellten Arbeiten eine Geschichte erzählen, sei es über Entstehung, den Erwerb oder eine im Einzelfall nötig gewordene Restaurierung.

"Du kommst in ein Labyrinth", heißt es in Hoehmes Manifest, das auf Handzettel gedruckt in der Ausstellung ausliegt. "Es ist ein Labyrinth von Beziehungen, Verästelungen, Verknüpfungen, Verschnürungen ..." Tatsächlich — das sieht man in der Ausstellung — haben die Kunststoffschnüre, die Hoehme zum Teil an einer großtechnischen Anlage der BASF in eine individuelle Form brachte, handschriftliche Dynamik und erinnern damit an die zeitlich vorausgehenden Buchstabenbilder. Erstaunlich ist die Vielfalt der gezeigten Werke, die einen eindrucksvollen Überblick von Hoehmes Gesamtwerk gibt. Am Leitfaden der Schnur entlang kann der Betrachter die unterschiedlichsten Werkphasen erkunden: Buchstabenbilder, Schnittmusterbilder, Spiegel, Schnurkästen, Damastbilder und Schnurplastiken. Die Schnur als Fühler oder Antenne stellt die Verbindung zwischen Bildraum und realem Raum her.

"Es ist der Gedanke der Verknüpfung, der Vernetzung", erklärt Kuratorin Ristow, "mit dem Hoehme über seine Zeit hinausging. Die Schnüre führen vom Bild in den Raum. Der Betrachter wird verstrickt. Er kann nicht auf Distanz bleiben." Bei Hoehme heißt es: "Das Bild ist ein Überall — es stellt sich ein im Strom des Entstehens und Vergehens: es ist in Dir."

(RP)
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