Neuss Die Neusser Neun - eine Glückszahl
Neuss · Die Neusser sind stolz auf ihren Stadt- und Pfarrpatron, den heiligen Quirinus. Zweifelsfrei identifiziert wird er an den neun "Punkten", die vielfach seine Fahne oder seinen Schild schmücken. So wurde die Neun die Glückszahl der Neusser.
Die 13 geht gar nicht. Sie soll Unglück bringen. Diese Startnummer wird im Formel-1-Zirkus nicht vergeben, eine Reihe 13 sucht der Fluggast in der Maschine vergeblich. Die 19 hingegen ist die meistgetippte Zahl der deutschen Lottospieler - wohl Dank der Geburtsjahre. Werden die Bundesbürger von Meinungsforschern gefragt, wird die Sieben zur meist genannten Glückszahl. Ob das auch für Neuss gilt, ist wissenschaftlich nicht belegt. Vermutlich aber nicht. Denn die selbstbewussten Neusser haben ihre eigene Glückszahl - die Neun!
Wer aufmerksam hinschaut, wird die Neusser Neun immer wieder entdecken. Auf Fahnen zum Beispiel, die vor öffentlichen Gebäuden flattern oder zum Schützenfest die Bürgerhäuser schmücken, sind neun - ja, was denn?, sind neun Punkte, sagen die einen, neun Kugeln, sagen die anderen, zu sehen. Diese geheimnisvollen neun Zeichen begegnen einem beim Gang durch die Stadt immer wieder. Zum Beispiel in Wappenform - neun goldene Punkte auf rotem Grund - am Giebel eines Patrizierhauses an der Drususallee. Oder am Schmiedeeisen-Eingang zum Marianum-Komplex an der Preußenstraße. Dort sind die neun Punkte Teil eines Wappens mit mehreren Elementen.
Der Bote, der die Kunde von der Glückszahl Neun über die Grenzen der Stadt hinaus trägt, ist der heilige Quirinus von Neuss. Er wird seit dem Mittelalter als Offizier oder Ritter dargestellt, der Schild und Fahne führt, auf denen die neun Punkte zu sehen sind. Das sind seine sogenannten Attribute, an denen er sich unzweifelhaft identifizieren lässt. Andere Heilige werden auch mit solchen Attributen dargestellt, die verraten, wer gemeint ist: ein Hirsch mit einem Kreuz im Geweih begleitet St. Hubertus, der heilige Bartholomäus trägt die Haut, die ihm abgezogen wurde, über dem Arm.
Der heilige Quirinus hat eine überregionale Bedeutung erlangt. Neuss ist seit rund 1000 Jahren das Zentrum der Quirinus-Verehrung, die mehr als 500 Kultorte in Mitteleuropa kennt. Die Legende sagt, dass die Reliquien des Märtyrers Quirinus 1050 von Rom nach Neuss gebracht wurden, wo 800 Jahre das Quirinusstift eine prägende Rolle in der Stadtentwicklung spielte. In der Kirche des Stifts, dem Quirinus-Münster, werden die Gebeine in einem kostbaren Schrein am Altar bis heute aufbewahrt. Anfang des 19. Jahrhunderts, die Franzosen herrschten in Neuss, wurde das Stift aufgelöst und seine Gebäude abgerissen.
Schon das Stift führte die neun Punkte im Wappen, die dann womöglich auf den Heiligen übertragen wurden. Der erfuhr seine größte Popularität während und nach der Belagerung der Stadt durch die Truppen von Karl dem Kühnen (1474/75). Immer wieder trugen die belagerten Neusser in ihrer Not den Schrein an die gefährdeten Stellen der Stadtmauer, damit der Stadtpatron ihnen Schutz gewähre. Letztlich wurde die Stadt nicht erobert - und die erfolglosen Belagerer zogen ab. Im Gepäck hatten sie die Botschaft von einem mächtigen Schutzheiligen (mit neun Punkten als Attribut), der die Neusser unbesiegbar machte. Die Neusser hatten ihre Glückszahl gefunden, während die enttäuscht abziehenden Krieger in ihrer Heimat dafür warben, sich ebenfalls unter den Schutz des Neusser Heiligen zu stellen. Ob es so war? Es könnte erklären, warum sich der Quirinuskult im späten 15. und im 16. Jahrhundert vor allem in Westeuropa ausbreitete. Rätselhaft bleibt, was die Punkte bedeuten. Bei Wikipedia ist zu lesen: "Die neun Kugeln stellen einen ,Volksetymologie'-Bezug des römischen Namens von Neuss Castrum novaesium zur lateinischen Zahl novem = neun her." Diese These ist aber umstritten. Andere sehen in den Punkten Kugeln, die auf die erfolgreiche Abwehr der Belagerung hinweisen. Wieder andere interpretieren sie als Mühlsteine - als Hinweis auf Neuss, die Stadt der vielen Mühlen. Bleibt auch das Rätsel über die Herkunft der neun Punkte ungelöst. Belegt ist, dass die Neusser ihre eigene Glückszahl haben - die Neun.