Neuss Die Milliarden-Mühle

Neuss · Die Öle aus der traditionsreichen Mühle C. Thywissen sind in der Lebensmittelindustrie weit verbreitet. Am Standort im Neusser Hafen arbeitet Europas größte Wechselmühle für mehrere Rohstoffe wie Raps, Sonnenblumen und Leinsaaten.

Neuss: Die Milliarden-Mühle
Foto: Berns, Lothar (lber)

Die Schiffe im Hafenbecken I sind ein ziemlich beliebtes Fotomotiv. Es gibt viele Menschen, die sich am Pegel auf den Bänken niederlassen und sich in Ruhe anschauen, wie die Schiffe dort anlegen. Für die etwa 110 Beschäftigten der Ölmühle C. Thywissen bedeutet das aber Arbeit. Denn nahezu jedes Schiff, das im prominentesten Neusser Hafenbecken vor Anker geht, ist voll beladen mit Raps, Sonnenblumensaaten und Leinsaaten. Futter für die Mühle, die daraus Öle presst, dies bereits seit 176 Jahren tut und damit dank kluger Firmenstrategie auf dem globalen Markt ziemlich erfolgreich ist. Der Jahresumsatz liegt nach eigenen Angaben bei 1,5 Milliarden Euro. Mehr als eine Milliarde davon kommt aus Neuss.

Dafür werden im Neusser Hafen etwa 2000 Tonnen Saatgut täglich verarbeitet, das macht rund 700 000 Tonnen im Jahr. Die Mühle läuft 24 Stunden am Tag an gut 350 Tagen im Jahr. Zwei Schiffe täglich liefern für Thywissen die Rohstoffe. Der Rhein, so formuliert es die Familie Thywissen, ist wichtige Produktionsvoraussetzung. Die Schiffe auf dem Rhein sind für das Unternehmen sozusagen das Lager auf dem Wasser, aus dem rund um die Uhr entladen wird. Müssten die Rohstoffe über den Landweg transportiert werden, würden täglich 40 bis 50 Lastwagen auf den Hof rollen. In der Erntezeit fahren zudem Landwirte aus dem Rheinland und aus Westfalen mit Traktoren auf den Hof und liefern Saaten ab. Soweit es geht, kommen die Rohstoffe auch aus der Region.

Die Schiffe erreichen Thywissen aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden. Sie haben Saaten geladen, die aus der ganzen Welt kommen. Raps, Sonnenblumen und Leinsaaten gehören dazu wie auch exotischere Ölsaaten. "Zum Teil handelt es sich um spezielle Ölsaaten, die für uns angebaut werden", sagt Geschäftsführer Dominik Baum, der das Unternehmen in der sechsten Generation leitet. Die Saaten werden überwiegend für die Lebensmittelindustrie weiterverarbeitet, ein großer Kunde - Thomy - füllt gleich nebenan Sonnenblumenöl ab. "Wir sind sehr stolz darauf, unsere Nachbarn zu beliefern", sagt Baum. Ein Teil der Produkte geht aber auch in die oleochemische Industrie, zum Beispiel wird Glycerin in Zahncreme weiterverarbeitet. In Marl wird überdies Biodiesel produziert. Und aus den ausgepressten Resten wird proteinreiches Futter hergestellt. "Wir sehen uns als Lebensmittelkonzern. Unsere Produkte finden sich aber in mehr als einem Drittel der Produkte des täglichen Bedarfs wieder. Dazu gehören neben den Lebensmitteln unter anderem auch Verwendungen in der Kosmetik, Pharmazeutik, Energie und Oleochemie", sagt Baum.

Seit zwei Jahren ist die neue, für 20 Millionen Euro erbaute Raffinerie in Betrieb. Mit seinen Anlagen am Neusser Standort - daneben wird auch in Hürth und Marl produziert - ist Thywissen die größte Spezialitäten-Ölmühle Europas, die zudem auch noch als Wechselmühle arbeitet. Das heißt, dass verschiedene Rohstoffe auf derselben Anlage verarbeitet werden. Die Umstellung bindet immer wieder Ressourcen, dies sei ein "komplexer Vorgang", sagt Baum. "Dafür braucht man gute Leute. Wir sind ein Ausbildungsbetrieb", sagt er. Auch ein Grund, warum Thywissen auf den Standort Neuss baut.

Der Brand im vergangenen Jahr hat die Produktion nur für relativ kurze Zeit ruhen lassen. Für jeden Kunden, so Baum, sei eine gute Lösung gefunden worden. Zwar wird noch bis ins vierte Quartal gearbeitet werden, aber die Produktion läuft mit provisorischen Maßnahmen. "Wenn die Baustelle abgeschlossen ist, dann haben wir eine Situation geschaffen, dass wir optimal produzieren können", sagt Baum. "Aber wir schauen uns sämtliche Entwicklungen und interessante Nischen an und versuchen stets, unsere Chancen als Familien-Unternehmen wahrzunehmen."

(NGZ)
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