Neuss Details aus der Ermittlungsakte Runde

Neuss · Preisnachlässe bei Bauarbeiten und Gartenpflege, Geschenke für die Garteneinrichtung - das soll der Chef der Stadtwerke laut Staatsanwaltschaft unter anderem erhalten haben, weil Unternehmen um ihre Aufträge bangten.

Neuss: Details aus der Ermittlungsakte Runde
Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Der unter Korruptionsverdacht stehende Stadtwerke-Chef Heinz Runde hat alle Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Wuppertal zurückgewiesen. Runde erklärte in einem Schreiben an Bürgermeister Reiner Breuer: "Ich versichere Ihnen, dass ich alle Beschuldigungen zurückweise." Nun liegen unserer Redaktion erstmals Details der Ermittlungen vor, warum Mitte Dezember 80 Fahnder 20 Objekte am Niederrhein durchsuchten, darunter die Zentrale der Stadtwerke (SWN) und Rundes Privatanwesen. Es gibt eine Reihe von Beschuldigten, Personen wie Unternehmen, es geht um den Verdacht auf Untreue, Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung. Der schwerwiegendste Vorwurf betrifft den Hauptbeschuldigten Runde und die laut Ermittlern dubiose Vergabe von Aufträgen der Stadtwerke an eine Arbeitsgemeinschaft von Unternehmen, die Arbeiten wie Hausanschlüsse, Hauptrohr und Reparatur erledigen sollte.

Diese Arbeitsgemeinschaft begann sich der Staatsanwaltschaft Wuppertal zufolge spätestens im Jahr 2010 Sorgen um ihre lukrativen Aufträge der Stadtwerke Neuss zu machen. Anlass sei zum einen eine konkurrierende Firma gewesen, die im Bieterkreis auftauchte. Und zum anderen ein neues Leistungsverzeichnis - das sind genau formulierte Bauanforderungen, auf die die RWE AG mit ihrem Eintritt als Gesellschafter im September 2009 Einfluss genommen hatte.

 Die Ermittler suchten bei ihrer Razzia unter anderem in der Stadtwerkezentrale (Mitte) nach Hinweisen zur Auftragsvergabe bei Hausanschlüssen (links) und Sponsoring (rechts).

Die Ermittler suchten bei ihrer Razzia unter anderem in der Stadtwerkezentrale (Mitte) nach Hinweisen zur Auftragsvergabe bei Hausanschlüssen (links) und Sponsoring (rechts).

Foto: Blazy, ki, woi

Bei mehreren Arbeitsessen in den Jahren 2010 und 2012 soll nun, so die Staatsanwaltschaft, zwischen Vertretern der Arbeitsgemeinschaft und Runde besprochen worden sein, welche "Konsequenzen" dies alles habe, wie man mit dem "neuen Wettbewerber" umgehe und wie "die Zukunft der Arbeitsgemeinschaft bei den SWN aussehe".

Als die Arbeiten dann im Jahr 2012 tatsächlich erstmals nach den neuen Anforderungen ausgeschrieben wurden, kam die Arbeitsgemeinschaft tatsächlich mit den größten Aufträgen zum Zug. "Obwohl die Arbeitsgemeinschaft nur das viertbeste Angebot abgab", sagt die Staatsanwaltschaft. Offizielle Begründung: Die Arbeitsgemeinschaft habe eben einen zusätzlichen Entstördienst angeboten, das könne nur von einem Neusser Betriebshof geschehen. Die Ermittler vermuten einen anderen Hintergrund: Korruption.

Im Jahr 2005 bereits soll Runde Ausschachtungsarbeiten auf seinem Privatgrundstück mit einer Rechnungssumme in Höhe von 23.676,36 Euro netto bei einer der beteiligten Firmen in Auftrag gegeben haben. Aber nur knapp die Hälfte davon sei als Rechnung ausgewiesen und überwiesen worden. Den Rest habe der Stadtwerke-Chef mit einem Nachlass von zehn Prozent schwarz und in bar bezahlt, so die Ermittler.

Außerdem soll die Arbeitsgemeinschaft bei Runde den Garten gepflegt und dafür über Jahre nicht einmal ihre eigenen Personalausgaben berechnet haben. Sachleistungen wie Olivenbaum und Edelstahlgrill seien ohne Bezahlung geliefert worden. Bei ihrer jüngsten Razzia suchten die Fahnder nach diesen Stücken ebenso wie nach Sonnenpavillons, einem Ausziehtisch, mehreren Sesseln und Kugelleuchten, einem Sonnenschirm, einem Bewässerungssystem und verschiedenen Pflanzen. Den Grill habe man schon bei der ersten Durchsuchung 2014 gefunden.

Die Ermittler folgern daraus: "Der Beschuldigte (...) ließ sich (...) verschiedene Vorteile gewähren. (...) Als Gegenleistung beriet der Beschuldigte (...), wie sie die Stellung der Arbeitsgemeinschaft bei der Vergabe von Aufträgen der Stadtwerke unter schwieriger gewordenen Verhältnissen sichern könnten, oder nahm sogar Einfluss auf die Auftragsvergabe." Für die Ermittler heißt das: Sollten die Vorwürfe zutreffen, wäre dies Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung. Runde weist die Vorwürfe im Schreiben an den Bürgermeister zurück. Seine Anwältin Anne Wehnert war gestern für einen Stellungnahme nicht zu erreichen. Nach den Durchsuchungen im Privathaus hatte sie unserer Redaktion erklärt: "Dort ist nicht ein Stück Papier mitgenommen und nichts sichergestellt worden. Das falsifiziert den Vorwurf. Wir arbeiten seit dem ersten Tag kooperativ mit der Staatsanwaltschaft zusammen."

Das Sponsoring des Neusser Bürgerschützenfestes durch die Stadtwerke in Höhe von 200.000 Euro bewertet die Staatsanwaltschaft als Untreue. Die Ermittler werfen der Stadtwerke Neuss Energie und Wasser GmbH vor, dass eine Entscheidung über dieses Sponsoring von allen Geschäftsführern gemeinsam hätte getroffen werden müssen. Das Votum von Kämmerer Frank Gensler als nebenamtlicher Geschäftsführer fehle aber.

Im Jahr 2010, als das Sponsoring mit 40.000 Euro begann, sei vereinbart worden, dass man sich, "was die Anzahl der Werbeflächen anbelangt, noch etwas zurückhält. (...) Wir brauchen für nächstes Jahr noch viel Luft nach oben." Die Initiative zum Sponsoring sei von der Stadtwerke-Spitze, nämlich Runde, ausgegangen, nicht von der Vermarktungs-Agentur. Dies habe Runde dem Aufsichtsrat verschwiegen, als dieser über das Sponsoring-Paket befand. Für die Ermittler ergibt das den Verdacht der Untreue.

(NGZ)
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