Neuss Der Küster-Künstler mit dem Klang-Ufo
Neuss · Hauptberuflich ist Harry Meschke Küster. In seiner Freizeit spielt er ein seltenes und futuristisches Instrument: das Hang. Außerdem erstellt er 3D-Modelle und fotografiert Skulpturen, die aus Wassertropfen entstehen.
Wer das Instrument von Harry Meschke zum ersten Mal sieht, traut Ohren und Augen kaum. Rein äußerlich hat Meschke ein Ufo-förmiges Stahl-Ei auf dem Schoß. Mit Handflächen, Fingernägeln, Knochen, der ganzen Hand oder der Faust schlägt er blitzschnell gegen die acht Auswölbungen. Dabei entstehen sehr harmonische Töne mit sehr meditativen Charakter. Den 55-Jährige überrascht das Erstaunen seiner Zuschauer längst nicht mehr: "Oft fragen die Leute zuerst, wo denn die Batterie ist", sagt Meschke schmunzelnd. Doch sein Instrument funktioniert ohne Strom. Hang heißt es.
Meschke hat mittlerweile mehrere Hangs mit verschiedenen Stimmungen. Das Instrument hat einen ganz besonderen Klang, weil es ein sogenannter Helmholtz-Resonator ist. Das physikalisches Phänomen beschreibt zum Beispiel, warum eine Flasche schwingt, wenn man hineinbläst. Acht oder neun Klangfelder hat das ausgeklügelte Instrument. Darin sind je noch drei Teiltöne eingestimmt.
Zum ersten Mal gesehen und gehört hat Meschke ein Hang 2006 auf der Kölner Domplatte. "Da saß ein Niederländer und hat darauf gespielt. Ich war sofort fasziniert", erinnert sich Meschke. Daraufhin bewarb er sich bei der Herstellerfirma des Hang. Die baut im Jahr nur 400 der Instrumente, obwohl die Nachfrage viel größer ist. Er hatte Glück und bekam sein Hang.
In Neuss gibt es neben ihm zufällig noch zwei weitere Hang-Besitzer. Mittlerweile sind die Instrumente im Wert deutlich gestiegen, weil sie seit anderthalb Jahren nicht mehr gebaut werden. "Bei Versteigerungen kosten sie jetzt um die 5000 Euro", sagt Meschke, "aber ich würde meine niemals verkaufen. Dafür hänge ich zu sehr an ihnen." Meschke hat mehr als ein Original-Hang, obwohl die Firma eigentlich nur eins pro Person verkauft. "Eine Frau hatte mich kontaktiert, die damit nichts anfangen konnte, es aber in guten Händen wissen wollte." Außerdem besitzt er einige Nachbauten.
Pro Jahr tritt der 55-Jährige bei etwa 50 Veranstaltungen auf: jüngst beim Festtag "100 Jahre Botanischer Garten", aber auch schon bei einer Preisverleihung des Dänischen Rundfunks. Improvisieren muss Meschke dabei nicht. Er hat rund 30 feste Stücke. "Es soll sich ja abwechseln", sagt er. Eine Gage nimmt er nicht - wegen der damit verbundenen Bürokratie ("Künstlersozialkasse, Steuern, und so weiter"). Hauptberuflich ist Meschke seit 1981 Küster der Erlöserkirche in Reuschenberg. Er ist gelernter Gärtner. "Das war mir aber zu stupide", sagt er. "In der Erlöserkirche gefällt es mir viel besser."
Neben seiner Sechs-Tage-Woche als Küster versucht er, so viele Hang-Konzerte wie möglich zu geben, und erstellt 3D-Modelle. Etwa vom Globe-Theater, der Pegeluhr oder von Teilen der Museumsinsel Hombroich, wo er sich gerne zur Entspannung mit seinem Hang hinsetzt. Außerdem fotografiert er Wassertropfen. Die Arbeiten veröffentlicht er auf seiner Internetseite (hangharry.de), wo er auch seine Stücke auf dem Hang zum Download bereit stellt - kostenlos. "Ich mache das zum Spaß und weil ich immer wieder tolle Rückmeldungen bekomme. Das ist mir wichtig", sagt Meschke. Bei Konzerten nennt er sich nach seinem Instrument: "Hang Harry".