Neuss Der Kardinal als Blogger

Neuss · Direkt zum Kardinal, einfach mal eine Frage stellen – was im "normalen" Leben wohl kaum gelingen dürfte, erprobt das Erzbistum Köln seit einigen Monaten im Internet, Joachim Kardinal Meisner als Blogger. Eine erste Bilanz.

Neuss: Der Kardinal als Blogger
Foto: ngz

Der Pileolus, das scharlachrote Käppchen, locker in den Nacken geschoben, neben dem Bildschirm eine Batterie Colaflaschen, vielleicht eine Zigarette im Mundwinkel, im Schein einer Schreibtischlampe mit fliegenden Fingern über der Tastatur – der Kardinal als Blogger unterwegs in Netz, so ist es nicht. Aber: Joachim Kardinal Meisner steht im Internet Rede und Antwort. Seit dem Start im Juni vergangenen Jahres wurde die neue Dialog-Seite des Erzbistums Köln – www.direktzumkardinal.de – monatlich rund 100 000 bis 120 000 Mal von bis zu 75 000 Leser aufgerufen.

Neuss: Der Kardinal als Blogger
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Das Erzbistum sieht das Angebot als einen ersten Schritt hin zur Kommunikation über das Internet. Zielgruppe sind vor allem jüngere Menschen. Nach Auswertung der Nutzerzahlen der ersten Monate sprechen die Macher von einem Erfolg und wollen das Angebot fortführen: "Wir gehen nicht mehr von einer Testphase aus. Die Seite läuft weiter", sagt Nele Herbeke, Pressereferentin des Erzbistums in Köln. Besonders in der Startphase sei selbst die Agentur, die die Plattform im Internet zur Verfügung stellt, von der Resonanz überrascht gewesen. "Wir haben Werte erreicht, die fast mit denen von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu vergleichen waren", erklärt Nele Herbeke.

 Mit einer Postkarten-Aktion wirbt das Erzbistum für die Internetplattform "direktzumkardinal.de" und den Dialog mit Kardinal Meisner.

Mit einer Postkarten-Aktion wirbt das Erzbistum für die Internetplattform "direktzumkardinal.de" und den Dialog mit Kardinal Meisner.

Foto: KNA, Repro: NGZ

Merkel nutzt die gleiche Dialogplattform (direktzurkanzlerin.de). Und die funktioniert so: Die Fragen aller angemeldeten User werden unter www.direktzumkardinal.de online veröffentlicht. Jeder Nutzer kann eigene Beiträge an den Erzbischof von Köln formulieren oder sich an der Abstimmung bereits gestellter Fragen beteiligen. Daraus entsteht eine Rangfolge der Beiträge. Die auf diese Weise bestbewertete Frage wird in einem zweiwöchigen Turnus von Kardinal Meisner persönlich beantwortet.

Anfragen, Bewertungen und die Antworten des Erzbischofs bleiben online einsehbar, so dass ein interaktives Kommunikationsforum im Sinne des Web 2.0 entstehen soll.

Direktzumkardinal.de, so viel ist bereits klar, ist jedoch offenbar weniger eine Plattform für die schnelle, lockere Kommunikation mit jungen Menschen. "Trinken Sie lieber Kölsch oder Alt, Herr Kardinal?" oder "Duzen Sie den Papst?", solche Fragen gibt es nur auf Postkarten, die das Erzbistum zur Werbung für das Portal in Cafés und Kneipen streuen ließ. Im Internet findet sich meist sehr Ernsthaftes: Priestermangel, Rolle der Familie, Exkommunikation oder auch die Frage, ob sich Selbstmord durch die Bibel rechtfertigen lässt, das sind nur einige Beispiel aus den vergangenen Wochen. Weniger spontan, dafür aber tiefsinnig – das Erzbistum ist nicht unzufrieden. Im Internet gibt es kaum Reaktionen auf direktzumkardinal.de. Zufriedenheit oder Desinteresse in der Internetgemeinde? Ein kritischer Kommentar kommt von CDU-Ratsherr Thomas Kaumanns. Auf www.katholisch-in-neuss.de schreibt er: "Im Kern ist die neue Plattform nichts anderes als ein E-Mail-Formular – das gab es bisher auch schon." Kaumanns kritisiert zudem das komplizierte Auswahlverfahren für die Fragen, die der Kardinal beantwortet: "Damit ist direktzumkardinal.de eigentlich weit vom wirklichen ,Mitmach-Internet' entfernt, denn das lebt von der Initiative und Dynamik seiner Mitglieder und nicht von engen Vorgaben des Betreibers."

Das Erzbistum räumt ein, noch auf der Suche nach den richtigen Kommunikationskanälen zu sein. Direktzumkardinal.de sei dabei nur ein Baustein. "Wir arbeiten an einer Gesamtstrategie", sagt Nele Herbeke. Dazu gehörten auch Kommentarfunktionen auf der Homepage des Erzbistums und die Präsenz im sozialen Netzwerk Facebook. "Derzeit sammeln wir Erfahrungen und beobachten, auf welchem Wege wir die verschiedenen Nutzergruppen am besten erreichen." Vielleicht hat dann auch die Frage nach Kölsch oder Alt noch eine Chance.

(NGZ)
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