Corona in Neuss Eine Arzt-Praxis in Quarantäne

Neuss · Ärzte und medizinisches Personal tragen in Zeiten der Corona-Pandemie ein besondere Risiko. In Neuss musste jetzt der Internist Hardy Stern mit seiner Praxis in Quarantäne gehen, da eine Mitarbeiterin positiv getestet wurde.

 Ein Aushang weist auf die vorübergehende Schließung der Praxis hin.

Ein Aushang weist auf die vorübergehende Schließung der Praxis hin.

Foto: Andreas Woitschützke

Wer in dieser Woche einen Termin bei Hardy Stern, Internist in Neuss, hatte, stand vor verschlossenen Türen. Ein Schild am Eingang in der Niederwallstraße weist darauf hin, dass die Praxis geschlossen werden musste, da eine Mitarbeiterin Corona-positiv getestet worden war. „Am Dienstagmorgen haben wir das Ergebnis des Abstrichs erfahren“, sagte Stern. „Und sofort haben wir die Praxis geschlossen.“

Jetzt sind Hardy Stern und seine Frau Hirene, die ebenfalls Allgemeinmedizinerin ist, zu Hause in Quarantäne – ebenso die sieben Mitarbeiter. Als der Positiv-Befund der Mitarbeiterin bekannt geworden war, sei alles ganz schnell gegangen, berichtet Stern. Zwei Patienten, die zur Blutabnahme bereits frühmorgens da waren, wurden sofort nach Hause geschickt. „Dann haben wir ein Schild angebracht und dichtgemacht.“

Bevor jeder nach Hause gegangen sei, „haben wir noch schnell voneinander Tests gemacht“, so Stern. Die Abstriche hat er noch selbst in ein Speziallabor nach Düsseldorf gebracht. Das Ergebnis: Alle Tests sind negativ und „alle sind gesund“, so Stern.

Am Freitag werden alle erneut getestet. „Auch wenn diese Ergebnisse negativ sein sollten, bleibt unsere Praxis insgesamt mindestens eine Woche, eventuell auch bis zu zehn Tage lang, geschlossen“, sagt der Hausarzt. Was ihn besonders ärgert: „Mir ist peinlich, dass ich meine Patienten nicht mehr rechtzeitig informieren konnte.“ Denn am Dienstagmorgen habe alles so schnell gehen müssen, dass nicht mal die Zeit war, allen Patienten, die dieser Tage Termine hatten, abzusagen. „Und zu Hause habe ich die Patientendaten natürlich nicht.“ Besonders hart treffe es jene Patienten, denen eine Operation bevorstehe. „Wer noch eine Blutabnahme oder ein EKG benötigt für die OP, steht trotz Termin vor verschlossener Praxis. Das ist mir sehr unangenehm“, sagt Stern. Die erzwungene Freizeit nutze er jetzt für Verwaltungsarbeit. Stern: „Man fühlt sich insgesamt sehr ohnmächtig und unzufrieden mit dieser plötzlichen Situation.“

Gerhard Steiner, niedergelassener Allgemeinmediziner und Vorsitzender der Kreisstelle Neuss der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KV), kann das gut nachvollziehen. Das Risiko, das die niedergelassenen Ärzte – insbesondere die Hausärzte – in der Corona-Pandemie zu tragen haben, „ist ein völlig ignoriertes Problem“, so Steiner. „Für Beschäftigte in Schulen und in der Kindertagesbetreuung gab es die Möglichkeit, sich alle 14 Tage kostenlos testen zu lassen. Für Arztpraxen und Krankenhäuser gibt es das jedoch nicht“, kritisiert er. „Wir zahlen die Tests selbst, und wenn jemand positiv getestet wird, tragen wir zudem das wirtschaftliche Risiko, die Praxis schließen zu müssen.“ Im öffentlichen Bewusstsein sei viel zu wenig angekommen, „wie immens die Arbeitsbelastung und wie groß die Verantwortung der niedergelassenen Ärzte seit der Corona-Pandemie ist“. Mediziner Steiner erinnert sich, dass eine Kollegin aus Neuss bereits zu Beginn der Pandemie im März für zwei Wochen ihre Praxis schließen musste. „Das sind heftige finanzielle Einbußen. Denn jede Praxis muss einen Mindestumsatz erzielen. Doch in der Öffentlichkeit wird das viel zu wenig thematisiert.“

Die Hausärzte seien über Monate sehr alleine gelassen worden. So habe es anfangs nicht ausreichend Schutzmaterial gegeben, sagte Steiner. Und das Risiko, wegen Corona die Praxis schließen zu müssen, tragen die Ärzte nach wie vor allein. Steiner hofft, dass sich das Problem nicht verschärft: „Es wäre eine Katastrophe, wenn wegen Corona-Infektionen viele Praxen schließen müssten.“

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